Der große Schwof – Feste feiern im Osten

Fotografien

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Kunstsammlung Jena
Markt 7
07743 Jena

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Für die Förderung und Kooperation bei der Realisierung von Ausstellung und Katalog bedanken wir uns ganz herzlich bei

1. Juli – 15. Oktober 2023

Nächste Veranstaltung:
Dienstag, 3. Oktober 2023, 18 Uhr

Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR.

Filmscreening in Kooperation mit dem Kino am Markt zum Tag der Deutschen Einheit

Vorverkauf über Kino am Markt

Feiern zielen traditionell auf Tiefe, Einheit und Selbstverständigung. Sie beinhalten sinnstiftende Elemente, die sich in Form von Jahrestagen, Revolutionen oder religiösen Ereignissen oftmals in definierten Abständen wiederholen. Feste hingegen sind spontan, oft lockerer oder sogar frech, manchmal rauschhaft und ekstatisch, immer aber sind sie ein willkommenes Ventil zur Ablenkung und Entrückung aus einem beschwerlichen oder einfach nur biederen Alltag. Deshalb wurden Feste von den Regierenden in der DDR oft toleriert oder ausgerichtet.

Andererseits haben Feste aber auch ein subversives Potenzial, negieren Hierarchien, missachten Ordnungen und Regeln und bereiten den Boden für Ideen, die Grenzen einreißen. Aus einem Fest ist vermutlich nie eine Revolution entstanden, oft waren Feste aber kleine Übungen, die den Gemeinsinn gestärkt und im Abseits herrschender Ideologien das Selbstbewusstsein gefestigt haben. In vielen Fällen waren Feiern und Feste nicht klar zu trennen und vermischten sich in einer Kultur, die genau diesen Aktivitäten einen großen Raum eingeräumt hat.

Ute Mahler, Kleines Erotikum Stadthalle Karl-Marx-Stadt, aus der Serie „Striptease im Osten“, 1988/89 © Ute Mahler / Galerie Springer

Unsere Ausstellung untersucht Feste und Feiern in der DDR, insbesondere in den 1980er-Jahren. Das sind vor allem jene Jahre in denen die Fassaden bröckelten, viele Menschen das Land verließen und eine neue, selbstbewusste Generation die eigene Existenz hinterfragte. In dieser Zeit spielten Feste und Feiern eine große Rolle, waren essenziell – etwas, das in geschlossenen Gesellschaften eine hohe Relevanz besitzt.

Roger Melis, aus der Serie „Silvester auf Schloss Hoppenrade, 1975/76 © Nachlass Roger Melis

Neben offiziellen Feiern waren das in erster Linie Feste, deren Art und Weise man selbst bestimmen konnte; und die Bilder zeigen es: Es ist kaum zu fassen, welche Vielfalt trotz schwieriger politischer Bedingungen möglich war. Fragt man Menschen nach ihrem geselligen Leben in der DDR, geht fast immer ein Leuchten über ihre Gesichter. Viele erzählen gern von genau diesen Erinnerungen, von ungezwungenen Gemeinsamkeiten, einem Miteinander jenseits der offiziellen Normen und politischen Vorgaben. Feiern, Tanzen, Trinken: Zu allen Zeiten galt „Schwofen“ als willkommenes Ventil für aufgestaute Energien, die aus dem Diktat von Meinungen, Redeverboten, Diskreditierungen und einer Bevorteilung opportunistischer Verhaltensweisen erwachsen sind.

Die Themen sind mit Absicht breit gewählt und reichen von der Männertagssause im Vogtland über Dorfhochzeiten und Spontanpartys in Kneipen und Wohnungen bis hin zu den legendären Modehappenings im Prenzlauer Berg. Gezeigt werden rund 300 Fotografien von 31 Künstlerinnen und Künstlern, die dieses privat und öffentlich so gewichtige Thema in Anlässen und künstlerischen Handschriften bis in die Zeit der Wende darstellen und hinterfragen. Die Kapitel sind verrückt, langweilig, von außerordentlicher Schönheit oder so stumpf wie ein normierter Alltag nur sein kann. Sie sind so heterogen wie das Leben und die Lebenserfahrungen in diesem untergegangenen Land waren. Jenseits aller Klischees vom grauen Osten und tagtäglicher Überwachung zeigt die Ausstellung ein höchst überraschendes Stück Alltagskultur – lebendig, bunt und vielfältig.

Die Ausstellung wurde von Petra Göllnitz kuratiert und in Zusammenarbeit mit der Kunstsammlung Jena realisiert. Nach der Präsentation in Jena wird die Schau 2024 im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst und in der Kunsthalle Rostock gezeigt.