Feste feiern im Osten. Fotografien
Es ist kein Geheimnis, dass eine jede Gesellschaft ihre innere Verfasstheit besonders deutlich über ihre spezifische Art des Feierns ausdrückt. Die aktuelle Ausstellung in der Kunstsammlung Jena stellt dies am Beispiel der DDR erstmals dar und scheut nicht die Breite der Beobachtung. Ausgestellt sind 316 Fotografien – vor allem aus den 1980er-Jahren – von 31 Künstlerinnen und Künstlern. Die Kapitel sind verrückt, langweilig, von außerordentlicher Schönheit oder so stumpf wie ein normierter Alltag nur sein kann. Sie sind so heterogen wie das Leben und die Lebenserfahrungen in diesem untergegangenen Land gewesen sind.
Fragt man Menschen nach ihrem geselligen Leben in der DDR, geht fast immer ein Leuchten über ihre Gesichter. Viele erzählen gern von genau diesen Erinnerungen, von ungezwungenen Gemeinsamkeiten, an ein Miteinander jenseits der offiziellen Normen und politischer Vorgaben. Feiern, Tanzen, Trinken: Zu allen Zeiten galt „Schwofen“ als willkommenes Ventil für aufgestaute Energien, die aus dem Diktat von Meinungen, Redeverboten, Diskreditierungen und einer Bevorteilung opportunistischer Verhaltensweisen erwachsen sind.
Die Menschen trafen sich spontan und mehr oder weniger organisiert, in privaten oder inoffiziellen Runden oder in oft eigens hierfür geschaffenen Nischen. Jenseits der Zwänge des Alltags und verordneter Ideologie entzog sich dieses „andere“ Leben weitgehend offizieller Kontrolle und eröffnete wohltuende Freiräume. Neben den gesetzlichen Feiertagen und den damit verbundenen alljährlichen Ritualen entwickelte sich so eine lebendige Subkultur der Unterhaltung, angesiedelt in Clubs, Bars, Cafés, Szenekneipen und im privaten Umfeld.
Die Themen sind mit Absicht breit gewählt und reichen von der Männertagssause im Vogtland über Dorfhochzeiten und Spontanpartys in Kneipen und Wohnungen bis hin zu den legendären Modehappenings im Prenzlauer Berg. Jenseits aller Klischees vom grauen Osten und tagtäglicher Überwachung zeigt die Ausstellung ein höchst überraschendes Stück Alltagskultur – lebendig, bunt und überraschend vielfältig.
Mit 11 ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern der Ausstellung haben wir Interviews geführt. Das, was zunächst „nur“ als Bewegtbilderweiterung gedacht war, wurde im Zuge der Produktion zu einem gewichtigen Stück Kunst- und Kulturgeschichte, die schon jetzt auf sehr viel Resonanz bei Gästen und Akteuren stößt.
Einer von 31: Jürgen Hohmuth ©Kunstsammlung Jena, Jürgen Hohmuth
Jürgen Hohmuth zählt zu jenen Akteuren der Berliner Szene, die bis heute enge Beziehungen nach Jena pflegen und dies auch in mehreren Publikationen dargestellt hat. Er zählt zu den Gründungsmitgliedern von CCD (chic charmant dauerhaft), dem legendären Underground Modelabel im Prenzlauer Berg. Seine Fotografien öffnen den Blick in eine andere Welt, eine Subkultur, die es gab und von der damals nicht so viele wussten. Für alle, die dabei waren, war es ein (unvergessliches) Geschenk.
Jürgen Hohmuth wird 1960 in Berlin geboren und arbeitet nach einer Lehre zunächst als Forstarbeiter und Zapfenpflücker. 1981 begann er freiberuflich als Fotograf zu arbeiten. 1986-91 folgt ein Fotografie-Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, u. a. bei Arno Fischer. Mit weiteren Fotografen gründete Hohmuth 1996 das Produktionsbüro ZEITORT. Seine Fotografien veröffentlicht er vorrangig in Bildbänden, außerdem kuratiert und gestaltet er Ausstellungen und wirkt bei Filmproduktionen mit. Hohmuth lebt und arbeitet in Berlin. Der Film wurde direkt für die Ausstellung produziert.
Nun bleibt uns nur, Sie liebe Leserinnen und Leser in die neue Ausstellung der Kunstsammlung Jena einzuladen. Bis zum 15. Oktober 2023 ist die Ausstellung in der Göhre am Jenaer Markt zu sehen.
Haben Sie die Ausstellung schon besucht? Dann freuen wir uns auf Ihr Feedback!