Philipp Albrecht übernimmt museumspädagogische Hausleitung des Literaturmuseums Romantikerhaus.
Sie arbeiten schon etwas länger für JenaKultur. Jetzt treten Sie in die zugegebenermaßen „großen“ Fußtapsen von Klaus Schwarz, der für das Jenaer Romantikerhaus jahrelang mit seiner ganzen Persönlichkeit stand und sehr geschätzt wurde. Sie sollen nun museumspädagogisch die Jenaer Romantik gerade für junge Leute lebendig halten. Was haben Sie sich vorgenommen? Wie denken Sie, kann es gelingen, Stadtgeschichte überhaupt attraktiv zu vermitteln? Wollen Sie neue, andere Akzente setzen?
In der Fragestellung steht es ja bereits: Ich arbeite schon etwas länger, nicht erst seit dem 1. Juni bei JenaKultur. Fast anderthalb Jahre war ich Bufdi (Bundesfreiwilligendienstleistender) bei Klaus Schwarz im Romantikerhaus. Daher weiß ich um die großen Fußstapfen, in die ich trete. Ich weiß aber auch um die Dinge, die ich bei Herrn Schwarz gelernt habe. Das meine ich nicht nur im Hinblick auf die professionelle Arbeit, sondern auch in Bezug auf einen herzlichen, zwischenmenschlichen Umgang. Ich verstehe mich in meiner jetzigen Rolle jedoch nicht als akurater Nachfolger von Herrn Schwarz. Natürlich bin ich das formal in meiner Position als Hausleiter. Aber mein Schwerpunkt ist die Museumspädagogik und dort möchte ich neue Akzente setzen.
Um Geschichteim Allgemeinen zu vermitteln, muss zunächst ein Zugang geschaffen werden –nicht nur für junge Leute, sondern für alle, denen ein gewisses Thema neu ist.Das gelingt, indem ein Bezug zu den historischen Personen aufgebaut wird, denndiese waren auch Menschen wie wir mit Ängsten, Sorgen, Freude, Liebe,Eifersucht. Die meisten wollten, wie wir heute, einfach ein gutes Leben führen,leben, lieben, lachen und sie standen, genauso wie wir, vor den Herausforderungenihrer Zeit. Der zweite Schritt ist es, sich diesen Herausforderungen zu widmen,welche sich oftmals gar nicht groß von unseren Problemen unterscheiden.
Die Jenaer Frühromantik war eine intellektuelle Strömung. Wie bekommt man die Vermittlung dessen hin?
Ganz klar, dieFrühromantik war eine intellektuelle Strömung und ist als solche nach wie voran den Hochschulen und in der Wissenschaft hochaktuell. Aber die Frühromantikerstanden auch für eine neue Lebenseinstellung, für ein neues Zusammenleben, füreinen Zeitenwandel auf vielen Ebenen.
Ich denke, dassdie Vermittlung einer solchen intellektuellen Strömung gelingt, indem einGefühl für die Zeit, die Probleme und die Fragen, die sich die Frühromantikergestellt haben, geweckt wird. Ich möchte in Kommunikation und in den Austausch tretenmit den Besucherinnen und Besuchern. Das Romantikerhaus Jena sehe ich nicht alsein Museum, wie man es sich in den dunkelsten Vorstellungen ausmalt: Angestaubt,Redeverbot, nichts anfassen, ernst und seriös gucken… Für mich ist es vielmehr einOrt der Zusammenkunft und des Austauschs, ganz im Sinne der Frühromantik solles ein Ort des Symphilosophierenssein.
In diesem Sinnemöchte ich mit Klischees und festgefahrenen Bildern aufräumen. Das betrifftsowohl die Frühromantik als intellektuelle Strömung als auch das Romantikerhausals „langweiliges Literaturmuseum“. Die Besucher werden merken, wie aktuell dieFrühromantik ist.
Haben Sie interessante Erlebnisse, Anekdoten, gern auch aus Ihrer Arbeit, Ihren Begegnungen mit Publikum, die Sie unseren Blog-Lesern mitteilen möchten?
Ich erinnere mich noch gut an den Besuch einer Kita. Die Kinder waren zur Märchenstunde da, dabei erfahren sie altersgerecht etwas über die Entstehung von Märchen, spielen Rätselspiele usw. Ich zeigte den Kindern ein Foto der Brüder Grimm und fragte, ob sie denn wissen, wer die beiden seien. Ein Kind meldete sich sofort und sagte „Max und Moritz“. Der Rest der Gruppe nickte zustimmend, ein bis zwei davon guckten leicht zweifelnd, die Erzieherin und ich mussten lachen. Ich weiß nicht, ob dem Kind das Plakat der Ausstellung „Da bin ich – Geschichten für Kinder von Wilhelm Busch, F. K. Waechter, Volker Kriegel und Philip Waechter“, welches zu der Zeit im Romantikerhaus zu sehen war, so präsent war oder es doch nur ein Zufall war. Kinder sehen die Welt bekanntlich mit anderen Augen und erkennen manchmal Zusammenhänge, die wir Erwachsenen nicht mehr sehen. Vielleicht sollten wir Erwachsenen auch etwas mehr unserer spielerischen Intuition folgen, um neue Welten zu entdecken. „Die Poesie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt“, schrieb Novalis. Nehmen wir uns diese Worte zu Herzen und an den kleinen Poeten ein Beispiel.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei der neuen Aufgabe!