Jenaer Philharmonie

Vielfalt im Fokus: Das Orchester der Jenaer Philharmonie

Streicher bei einer Generalprobe der Jenaer Philharmonie

Dass die Jenaer Philharmonie ein vielfältiges Programm an klassischer Musik bietet, ist längst kein Geheimnis. Doch wie sieht es hinter den Kulissen mit der Vielfalt aus?

Unter den knapp 80 Orchestermitgliedern der Jenaer Philharmonie finden sich schließlich Menschen mit 19 verschiedenen Nationalitäten. So unterschiedlich wie die Instrumente sind auch die Musiker*innen, die sie spielen. Gerade diese Vielfalt macht am Ende die Umsetzung der musikalischen Meisterwerke erst möglich. Jedes Instrument, jeder Mensch dahinter, spielt eine wichtige Rolle für das große Ganze. Doch wie läuft das Zusammenspiel im Orchester jenseits von Noten und Taktstock? Wie funktioniert es zwischenmenschlich mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und Sprachen? Dr. Julia Hauck, Agentin für Diversität bei JenaKultur, hat bei zwei Musiker*innen nachgefragt:

Kulturelle Unterschiede? Alles eher Typsache

Bruno Osinski spielt seit 2014 Tuba im Orchester der Jenaer Philharmonie. Der gebürtige Franzose kam vor mehr als zehn Jahren zum Studium nach Deutschland. An Jena mag er, dass die Stadt klein, aber lebendig ist, dass alles gut zu Fuß zu erreichen und die Natur gleich um die Ecke ist. Die kleinen Unterschiede zu seiner Heimat nimmt er mit Humor und sieht das Manchmal-Anderssein eher positiv. Bruno Osinski nimmt sich selbst nicht zu ernst und fühlt sich in Jena wohl, so der erste Eindruck.

Dass die Kommunikation im Orchester komplett auf Deutsch ist, stört ihn nicht. Ohnehin müssen alle Musiker*innen im Studium eine Deutsch-Prüfung ablegen und am Ende die Sprache ausreichend können, um ein Engagement in einem Orchester zu erhalten. Natürlich sind die Sprachkenntnisse im Alltag essentiell – auch um mehr zu erfahren über die Menschen in Jena und deren Geschichten. Gut, dass Bruno fließend Deutsch spricht. Aber auch gut, dass einige Kolleg*innen super Französisch sprechen, sodass das ein oder andere Gespräch auch mal in seiner Muttersprache geführt werden kann.

Bruno Osinski, Tubist in der Jenaer Philharmonie
Seit 6 Jahren in Jena an der Tuba: Bruno Osinski | © Foto: Christoph Beer

Zu Missverständnissen durch Sprachbarrieren kommt es nur selten: wenn mal jemand in Thüringischem Dialekt einen Witz macht oder ähnliches. Wirkliche Schwierigkeiten gibt es nicht, im Gegenteil: Bekanntlich kann es auch ein Privileg sein, wenn man das ein oder andere Gespräch einfach ausblenden kann und nicht alles versteht. Natürlich kann es aber auch gleichermaßen nervig werden, wenn man bei hitzigen Diskussionen nicht so schlagfertig und schnell mitziehen kann wie Muttersprachler*innen. Was sagt der Musiker generell zu kulturellen Unterschieden in der täglichen Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen oder auf Gastspielreisen? „Am Ende sind Dinge wie Pünktlichkeit und Ordnung nicht davon abhängig, wo jemand herkommt, sondern Typsache“, so Bruno Osinski.

Mit der Zusammenarbeit im Orchester ist der Tubist zufrieden und sieht auch das Programm der Jenaer Philharmonie auf einem guten Weg, was Vielfalt und Offenheit angeht: Neben den traditionellen Konzerten gibt es beispielsweise auch das Projekt Six Continents im Volksbad oder Veranstaltungen wie Black Box im Kassablanca (Nr. 2. Kaleidoskop am 26.02.2020). Auf die Frage, was er sich von den Jenaer Bürger*innen für die Philharmonie wünscht, antwortet Bruno Osinski gelassen: „Einfach mal neugierig vorbeischauen, auch wenn man uns noch nicht kennt. Ein Gang in die Philharmonie ist entspannter als man denkt.“

Von Jerewan nach Jena

Die Bratschistin Hasmik Karapetyan spielt seit 2013 im Orchester der Jenaer Philharmonie. Die aus Jerewan in Armenien stammende Musikerin kam 2005 zum Studium nach Deutschland, „um Erfahrungen in einem anderen, weltoffenen Land mit einer sehr großen Tradition in der klassischen Musik zu machen“ und da sie die Möglichkeit bekam, „in Lübeck bei einer sehr renommierten Bratschenprofessorin zu lernen“. Begeistert berichtet Hasmik Karapetyan von der Vielseitigkeit und dem spannenden Mix der verschiedenen Nationalitäten und Kulturen, die an deutschen Unis und bei internationalen Musikfestivals zu finden sind.

Hasmik Karapetyan, Bratschistin in der Jenaer Philharmonie, mit ihrem Instrument
Die Tradition in der klassischen Musik hat sie nach Deutschland geführt: Hasmik Karapetyan | Foto: Marine Azaryan

An Jena mag sie, dass es eigentlich alles gibt: Stadtleben und Natur, Berge und Fluss – alles direkt vor der Haustür. Die Musikerin fühlt sich in Jena wohl und arbeitet gern für die Philharmonie. Hasmik Karapetyan spricht sehr gut Deutsch und ist beruflich und privat in Deutschland angekommen. Dennoch ist es in Jena ein anderes Leben, ein anderer „Rhythmus der Kulturen“ – wenn sie die langen Nächte im warmen Armenien mit beispielsweise dem frühen Schulbeginn am dunklen Morgen in Deutschland vergleicht. Übrigens: Einen kleinen Einblick in diese Unterschiede dürften auch ihre Kolleg*innen bekommen haben, als das Orchester im Herbst 2016 zu einem Gastspiel in Jerewan weilte. Dass einige Dinge anders laufen als in ihrem Heimatland ist für Hasmik Karapetyan normal und nicht unbedingt negativ.

Die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen beschreibt sie als professionell und entspannt. Ein Vorurteil über Deutschland kann sie nicht bestätigen: Distanziert und kühl geht es im Orchester nicht zu. Es gibt beispielsweise Zeit, um nach dem Konzert den Abend ausklingen zu lassen. „Musiker ist einer der schönsten Berufe der Welt. Aber man muss auch schauen, dass man dem beruflichen Stress die innere Balance entgegensetzt. Der Austausch mit den Kolleg*innen hilft da“, so die Bratschistin. Und auch das Publikum in Jena bekommt die Energie des Orchesters mit, so die Musikerin: „Das Orchester gibt wirklich alles und die Leute merken das.“ Die Jenaer Philharmonie bietet mit ihrem Programm einiges an Vielfalt. Ob traditionell oder progressiv – die Mischung macht es: Hörbar beispielsweise beim nächsten Stadtteilkonzert in Lobeda (Nr. 2 am 26.01.2020), bei dem neben Bach und Beethoven auch Alfred Schnittke auf dem Programm steht. Dort kann man Hasmik Karapetyan mit den Kolleg*innen im Streichtrio dann auch live erleben.

Ob beim Programm, den Instrumenten im Orchester oder eben auch bei den Musiker*innen gilt der Spruch:

Die Mischung macht‘s!


In der Jenaer Philharmonie funktionieren Interkulturalität und Vielfalt sehr gut und tragen wesentlich zum Charakter des Orchesters bei.
Kennen Sie andere Beispiele von erfolgreich gelebter Diversität? Wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Wir freuen uns wie immer über Ihre Kommentare!


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