Mitarbeiter:innen von JenaKultur vorgestellt | Heute: Alexander Richter, neuer Orchesterdirektor der Jenaer Philharmonie
Lieber Herr Richter, Sie sind jetzt seit 1. April bei JenaKultur, genauer gesagt bei der Jenaer Philharmonie angestellt. Sie übernehmen den Staffelstab von Ina Holthaus und sind der neue Orchesterdirektor. Bis zum Ende August liefen Sie sozusagen parallel mit Frau Holthaus mit, um besser in die komplexen Orchester- und JenaKultur-Strukturen hineinwachsen zu können. Jetzt müssen Sie ganz allein die Geschicke in die Hand nehmen und das im mehrfachen Wortsinn. Denn Sie kommen in eine überaus herausfordernde Gemengelange: Jonas Zipf als JenaKultur-Werkleiter mit besonderer (Intendanz-)Verantwortung für die Jenaer Philharmonie hat Jena verlassen; Katharina Landefeld, Mitarbeiterin Orchesterbüro und zuständig für die Orchesterakademie, geht andere Wege und Sie müssen nun eine neue Kollegin einarbeiten. Obendrein bleibt die Probensituation für Orchester und Chöre ein ungelöstes Dauerbrennerproblem usw. Wird Ihnen angst und bange?
Angst und bange wird mir nicht. Grundsätzlich bin ich ein optimistischer Charakter, der immer Herausforderungen und keine Probleme sieht und entsprechend nach Lösungen sucht. Dass diese Suche manchmal einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann, liegt in der Natur der Sache. Den langen Atem, den man dafür manchmal braucht, habe ich als studierter Trompeter auf jeden Fall, und was die rein akustische Durchschlagskraft angeht, ist man als Blechbläser im Orchester ja auch ganz gut aufgestellt.
Was müssen und werden Sie zuerst anpacken?
Momentan steht erst mal eine umfassende Bestandsaufnahme auf dem Plan. Die Themenstellungen sind vielfältig und sehr komplex. Natürlich ist dabei die Probenraumsituation der Jenaer Philharmonie ein dominierendes Thema, stellt dies doch die Arbeitsgrundlage des gesamten philharmonischen Betriebes dar. Künstlerisch ist das Orchester sehr gut aufgestellt und erfährt zunehmende überregionale und internationale Wertschätzung. Wir haben hier ein echtes Juwel direkt vor unserer Haustür. Diese Wahrnehmung zu stärken, sehe ich als große Aufgabe.
Neben dem stets durchlaufenden Tagesgeschäft gibt es aktuell eine Menge loser Enden einzusammeln und dann zu schauen, wo es Optimierungsmöglichkeiten gibt. Die Mitarbeiter:innen hier in der Verwaltung erlebe ich als sehr motiviert und engagiert. Ich denke, an der einen oder anderen Stelle sind Arbeitsabläufe noch direkter, unkomplizierter und schneller organisierbar. Die Frage der dafür benötigten Ressourcen (ob personell oder finanziell) steht natürlich immer im Raum.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich und brauchen Sie von wem?
Zuallererst brauchen wir die Unterstützung der Stadtbevölkerung, denn als städtisches Orchester sind wir an erster Stelle unserem hiesigen Publikum verpflichtet. Die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit finden wir unter dem gemeinsamen Dach von JenaKultur. Hier sind sicher noch weitere Synergien zu entwickeln und Mehrwerte zu heben, um das deutschlandweit einzigartige Projekt eines in einen städtischen Eigenbetrieb eingebundenen Orchesters, zu einer absoluten Erfolgsgeschichte auszubauen. Die Frage der zukünftigen Landesfinanzierung steht ja aktuell ebenfalls im Raum, und auch da geht es für mich in erster Linie um Wahrnehmung und Wertschätzung.
Sie sind selbst Musiker, sicher ein großer Vorteil für die Arbeit mit einem Orchester und vor allem den Musiker:innen. In Jena kennt man sich ja. Aber wie wurden Sie aufgenommen? Vor allem: Welche Erwartungen wurden von den Musiker:innen bereits an Sie adressiert? Wie sehen Sie Ihre Rolle innerhalb aber auch bzgl. der Außenwirkung der Jenaer Philharmonie?
Ich bin fest überzeugt, der bildhafte Wechsel vom Notenpult an den Schreibtisch bringt aufgrund der implizierten Perspektiv-Wechsel viele Vorteile mit sich. Als (gebürtiger) Jenenser kenne ich die Jenaer Philharmonie von Jugend an. Meinen ersten „Peter und der Wolf“ habe ich im Jenaer Volkshaus live erlebt. Später als Gastmusiker durfte ich in vielen Produktionen mitwirken, habe die ersten Sinfonien des Mahler-Scartazzini-Zyklus an der Trompete mitgespielt und steige jetzt managementseitig in die zweite Hälfte dieses großartigen Formates mit ein. Natürlich sind mir die Bedürfnisse eines Orchestermusikers aus eigenem Erleben sehr vertraut. Die Erwartungen und Wünsche auf Seiten des Publikums habe ich als Jenaer „Musik-Konsument“ ebenfalls hautnah erlebt. Was Herausforderungen im organisatorischen Bereich angeht, konnte ich mit meiner Brass Band BlechKLANG und der dahinter stehenden Vereinsstruktur in den letzten zwanzig Jahren vielfältige Erfahrungen sammeln. Insofern betrachte ich meine Rolle ein stückweit als Kulminationspunkt, um Bedarfe und Wünsche auf allen Seiten aufzunehmen und mit den Realitäten des Kulturbetriebes in Einklang zu bringen. Im besten Fall wird mir meine neue Tätigkeit dabei helfen, genau in diesem Bereich Dinge auf den Weg zu bringen und neue Projekte und Formate zu entwickeln und zu ermöglichen.
Haben Sie Ideen, wie der Klangkörper unbeschadet aus der Pandemie herauskommt? Überall gehen Besucherzahlen dramatisch zurück. Immer kurzfristiger trifft das Publikum seine Entscheidungen. Was bedeutet das für die Arbeit der Jenaer Philharmonie? Was muss strukturell und konzeptionell geändert werden? Wie zukunftsfest ist das Zukunftskonzept, das für die Jenaer Philharmonie erarbeitet wurde? Braucht es bereits eine Überarbeitung? Wo muss man aus Ihrer Sicht ansetzen?
Wir müssen uns künstlerisch treu bleiben. Kulturelle Bildung und kulturelle Teilhabe sind kein Luxus, sondern die Lebensgrundlage für eine zivilisierte Gesellschaft. Kultur im Allgemeinen und Musik im Speziellen haben einen unschätzbar positiven Effekt auf den Zusammenhalt in der Bevölkerung und stärken auch und insbesondere in Krisenzeiten die Resilienz. Das Zukunftskonzept der Jenaer Philharmonie setzt genau an diesem Punkt an. Seine Realisierung ist essentiell für die Stabilisierung und die künstlerische Entwicklung unseres Orchesters. Natürlich zeigt sich bei der Umsetzung in die konkreten Arbeitsabläufe auch der ein oder andere Punkt, an dem nach zu schärfen ist. Mit Blick auf eine Fortschreibung des Konzeptes über den Zeitraum der Zuschussvereinbarung hinaus ist die konsequente Weiterentwicklung der Strukturen und des künstlerischen Profils der Jenaer Philharmonie unabdingbar.
Zu guter Letzt: Erzählen Sie bitte noch etwas über sich persönlich. Welche Musik mögen Sie besonders? Was machen Sie gern, was nicht mit Musik zu tun hat?
Mein persönlicher Musikgeschmack ist eher stimmungsabhängig und nicht wirklich festgelegt. Gute Musik, egal welcher Stilrichtung erreicht mich ganz direkt auf emotionaler Ebene. Insbesondere das Live-Erlebnis eines Konzertes, die Energie im Raum, wenn förmlich aus dem Nichts in Töne gegossene Gefühle entstehen, hat das etwas Magisches für mich und fasziniert mich stets aufs Neue.
Privat koche ich sehr gern für mich und meine Familie. Dabei nehme ich mir wirklich Zeit, kann ein stückweit meine Kreativität ausleben und finde zu mir.
Natürlich wünschen wir Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei der Arbeit, Gesundheit, starke Nerven und Durchhaltevermögen, aber auch Durchschlagskraft.
Danke für das Gespräch!
Liebe Konzertfreund:innen und Philharmonie-Liebhaber:innen, was möchten Sie Herrn Richter mit auf den Weg geben? Was sollte er aus Ihrer Sicht angehen, berücksichtigen? Wir freuen uns, wenn Sie durch kritische Begleitung seiner Arbeit mithelfen, dass sein Start gelingt. Dazu gehört natürlich zu allererst, dass Sie unserem Orchester treu bleiben. Wir freuen uns auf Sie!