Bereits im Jahr 2016 stellte der Berliner Journalist Frank Joung die Pilotfolge zu seinem Podcast online, eine Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Damit wurde „Halbe Katoffl“ zum Vorreiter für zahlreiche deutschsprachige Podcasts, die die Lebenswelt von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Mittelpunkt stellen.
Mittlerweile sind über 100 Episoden online abrufbar; einige davon sind in Kooperation mit Kein Schlussstrich entstanden, ein Projekt, das im Herbst 2021 – ausgehend von Jena – in 15 deutschen Städten kulturelle und stadtgesellschaftliche Interventionen zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes initiierte.
Im Interview stellt Frank sein engagiertes Projekt vor.
Lieber Frank, du betreibst jetzt schon seit sechs Jahren den Podcast „Halbe Katoffl“, der bereits für einige Auszeichnungen, u.a. den renommierten Grimme Online Award, nominiert war – herzlichen Glückwunsch zu diesem erfolgreichen Projekt! Und danke, dass du dir die Zeit für ein paar Fragen genommen hast.
Erzähl uns und unseren Leser:innen doch bitte erst einmal: Was ist eine „halbe Katoffl“?
Frank Joung: Halbe Katoffln sind nach meiner Definition Deutsche mit nicht deutschen Wurzeln, die in den unterschiedlichsten ‚Sorten‘ vorkommen. Manche haben einen deutschen Pass oder ein deutsches Elternteil, manche sind hier geboren, aufgewachsen oder zugezogen.
Deine Eltern stammen aus Korea, du bist in Deutschland geboren und lebst in Berlin. Wie viel von deinen eigenen Lebenserfahrungen steckt in deinem Podcast? Gab es eine bestimmte Situation, einen ausschlaggebenden Moment, der dich zu diesem Projekt ermutigt hat?
Es gab nicht den einen Schlüsselmoment. Ich habe im Laufe meines Lebens als Deutscher mit Migrationsvordergrund bestimmte Erfahrungen gesammelt, über die ich irgendwann Lust hatte zu reden. Mich hat interessiert, ob das andere Halbe Katoffln auch so erlebt oder welche Erfahrungen sie gemacht haben. Welche ähnlich sind und welche wiederum völlig anders.
Du schreibst, der Podcast soll lustig, kurzweilig und unterhaltsam sein. Ist das eine Richtung, die dir in der Debatte bis dahin gefehlt hat? Wo liegt der Fokus bei deinem Format, was ist das Besondere?
Ich denke, besonders war erstmal, dass der Moderator nicht weiß ist (lacht). Dass also nicht, wie fast immer in der Vergangenheit bis dato, eine weiß-deutsche Perspektive eingenommen wurde. Es gab und gibt ja immer viele „Integrationsprojekte“ oder gut gemeinte Events gegen Rassismus. Oft verfehlen die aber oft den Kern der Sache und sind selber nicht besonders inklusiv. Ich habe schon erlebt, wie drei weiße alte Männer auf der Bühne über Rassismus sprechen. Fast immer geschieht das zudem in einer sehr trockenen, theoretischen Art, wo viele Phraschen gedroschen werden. Ich wollte ein unterhaltsames Gespräch auf Augenhöhe, wo es um die Gesamtheit der Lebenserfahrungen geht und nicht immer nur um extreme rassistische Ausfälle. Der Podcast soll auch zeigen, was und wer alles „deutsch“ ist und wie vielfältig auch Halbe Katoffln sind. Wir sind keine homogene Gruppe.
Du arbeitest mit verschiedenen Einrichtungen und Initiativen zusammen, um die einzelnen Episoden zu erarbeiten, z.B. mit LinkedIn, „Integration durch Sport“ oder Kein Schlussstrich. Welche neuen Perspektiven bringen die Kooperationen ein?
Ich gebe jeder Kooperation eine neue inhaltliche Richtung: Das eine Mal geht’s um halbkatofflige Sportler:innen, dann gibt es eher einen Arbeits-Schwerpunkt oder ich spreche mit Kunstaktivist:innen. Für mich ist das vor allem deswegen spannend, weil ich auch immer wieder auf neue Themenfelder und interessante Menschen stoße. Das ist eh ein großes Plus am Podcasten: Ich lerne selber soviel dabei und habe immer tolle Begegnungen.
Gibt es eine Episode, die dir besonders am Herzen liegt? Und eine, die du unseren Leser:innen für den Einstieg empfehlen würdest, einen kleinen „Appetizer“ sozusagen?
Das fällt mir immer so schwer. Das kommt sehr stark auf die eigenen Interessen an. Mir fallen natürlich spontan sehr viele ein. Die Episode mit dem Sänger Chima war zum Beispiel besonders, weil es im Gespräch eine Wendung gab. Er schien zunächst etwas indifferent, aber dann wurde es ein spannendes, lustiges und intensives Gespräch.
Was wünscht du dir für die Zukunft deines Podcasts? Gibt es eine Person, die du unbedingt mal zum Gespräch bitten möchtest, oder eine Kooperation, die du dir wünschst? Gibt es noch andere Projekte, an denen du arbeitest?
Es gibt so viele interessante Halbe Katoffln, dass ich gar nicht hinterherkomme, aber wen ich mir noch wünschen würde, ist der Entertainer Teddy Teclebrhan. Ansonsten gebe ich noch Workshops und moderiere den Podcast „Kopfsalat“. Da geht’s um Mental Health, Depressionen, Gefühle und den ganzen anderen Salat im Kopf.
Das Projekt „Kein Schlussstrich“ wurde initiiert, um eine Auseinandersetzung mit den Taten des NSU-Komplexes über einen kulturellen Zugang anzuregen. Was denkst du, kann Kultur – speziell im Medium eines Podcasts – zu einem besseren Miteinander beitragen? Wo müssen wir als Gesellschaft hin, was sind deiner Meinung nach die aktuell größten Probleme, die es zu lösen gilt?
Ich habe mehr denn je das Gefühl, dass wir immer weniger miteinander wirklich ins Gespräch kommen. Alle haben immer zu tun und man schreibt ständig Nachrichten oder kommentiert auf Social Media, aber echte analoge Begegnungen – auch und vor allem mit Menschen, die nicht in derselben Blase wie man selber leben, finden gefühlt weniger statt. Das hat die Pandemie auch noch mal verstärkt. Es gibt so ein diffuses Gefühl von „Wir“ und „die anderen“. Da kann die Kultur im Allgemeinen natürlich viel bewirken, weil sie die Menschen im besten Fall emotional anspricht. Ich bekomme oft Rückmeldungen, dass Menschen durch die Halbe-Katoffl-Gespräche ihr eigenes Denken, Fühlen und Handeln infrage gestellt haben oder dass sie Dinge jetzt besser verstehen oder auch was eigenes starten. Das macht mich wirklich happy.
Und wir sind sehr happy über dieses Interview – herzlichen Dank!
Kennen Sie, liebe Leserinnen und Leser, den Podcast „Halbe Katoffl“ schon? Nein? Dann hören Sie unbedingt mal rein und lassen uns Ihren Eindruck hier! Wir freuen uns wie immer über den Austausch mit Ihnen.