„Das Schicksal einer lebendigen demokratischen Gesellschaftsordnung hängt davon ab, in welchem Maße die Menschen dafür Sorge tragen, dass das Gemeinwesen nicht beschädigt wird, in welchem Maße sie bereit sind, politische Verantwortung für das Wohlergehen des Ganzen zu übernehmen und vor allem: Demokratie muss gelernt werden – diese Erfahrung bleibt – immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter hinein.“ Dieses leidenschaftliche Plädoyer für Demokratie – Extrakt eines grandiosen Essays unter dem beziehungsreichen Titel „Goethes Weimar und Himmlers Buchenwald“ – stammt von Oskar Negt. Der unterdessen hochbetagte Sozialphilosoph, der sich sein Leben lang auch in die Tagespolitik einmischt, zeigt eindrücklich, warum der Horror von Buchenwald eben gerade doch in der Nähe zum Klassikerhotspot Weimar entstehen konnte und dass wir Heutigen mit dem Blick auf bedenkliche aktuelle Entwicklungen sensibel und wachsam bleiben müssen, weil Demokratie gefährdet ist, wenn sich keiner mehr für sie zu engagieren bereit ist.
Der Essay ist als Leitartikel zur Jahreskonferenz der Dramaturgischen Gesellschaft entstanden. Sie tagt von Donnerstag, 31. Januar 2019, an in der „Doppelstadt“ Weimar und Jena. 250 Theatermacher aus dem gesamten deutschsprachigen Raum beraten über aktuelle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft und treffen von dort her Schlussfolgerungen für ihre künstlerische Arbeit. „Eine Republik der Liebe. Doing Democracy“ – der beziehungsreiche Titel.
Die Konferenz findet nicht von ungefähr in Thüringen statt. Der Einladung von Hasko Weber, Intendant des Deutschen Nationaltheaters, und Jonas Zipf, Werkleiter von Jenakultur, konnten sich die Verantwortlichen nicht entziehen. Zu assoziativ ist der derart entstehende Bedeutungsrahmen: vor 100 Jahren wurden hier Weimarer Republik und Staatliches Bauhaus gegründet, bis heute vielzitierte Fortschrittssymbole. Die Auseinandersetzung auch mit den Gründen des Scheiterns der ersten demokratischen Republik auf deutschem Boden verspricht reichen Erkenntnisgewinn. Die Woche der Demokratie, die am 1. Februar beginnt, bemüht sich multimedial und diskursiv, mit unterschiedlichen Formaten – Konzerten, Diskussionen, Ausstellungen, Theateraufführungen – bis zum 10. Februar dazu anzuregen: „Wir wollen diese Republik nicht von ihrem Ende im Januar 1933 begreifen, wir wollen ihren demokratischen Gründungsgedanken aufgreifen, unsere Gegenwart kritisch betrachten und Pläne für eine lebenswerte Zukunft entwerfen,“ so die Veranstalter. Wenn zur Eröffnung „Wilhelm Tell“ – Schillers großes Freiheitsdrama – Premiere hat, werden zahlreiche Kulturschaffende der Berliner Initiative „Die Vielen“ beitreten. Deren Plädoyer gilt der Freiheit der Kunst, der Vielfalt und Buntheit unserer Gesellschaft. Und es appelliert an jeden von uns, sich immer wieder einzumischen. Wann und wo? „Der Ort ist hier und die Zeit ist jetzt“, so Oskar Negt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Woche der Demokratie: www.nationaltheater-weimar.de/de/index/woche-der-demokratie.php
Jahreskonferenz der Dramaturgischen Gesellschaft: http://konferenz-2019.dramaturgische-gesellschaft.de/