Diese Worte hat Robert Jehoshua Büchler bei seinem letzten Besuch im April 2009 über die Stadt an der Saale gesagt. Wenige Monate später ist er in seinem Heimatort Lehavot Haviva in Israel gestorben. Im April 1945 war Jena dem damals 16-jährigen Jungen aus Topol‘čany in der Slowakei unfreiwillig zu seinem Schicksalsort geworden, nachdem er in den Monaten davor zuerst in Auschwitz und dann in Buchenwald ums Überleben kämpfen musste. Seine Eltern, seine jüngere Schwester haben Auschwitz nicht überlebt.
Am 10. April 1945 – das Lager Buchenwald befand sich schon in Auflösung – ist Robert Büchler in den letzten Todesmarsch hineingeraten, der am Abend vom Lagertor losging. Ein gehetzter Weg zum Weimarer Güterbahnhof, dann ein kurzes Stück im Güterzug bis Großschwabhausen, dann nach dem dortigen Tiefflieger-Angriff wieder zu Fuß bis nach Jena: Es war ein Elendszug von mehr als 4.000 an Leib und Seele schwer verletzten Menschen, der sich mitten durch die halbzerstörte Stadt hindurchschleppte; viele, die erschöpft das Tempo nicht mithalten konnten, lagen ermordet entlang der Strecke. Zur gleichen Zeit konnte das Lager Buchenwald, konnten dort noch etwa 20.000 Häftlinge von der US-Army befreit werden.
Die eigene Befreiung ist dem völlig erschöpften Robert Büchler erst einen Tag später geglückt, an der Fernstraße 7 zwischen Eisenberg und Bad Köstritz. Später haben ihn US-Soldaten aufgegriffen und nach Jena zurückgebracht. In den Baracken beim Sportgelände in Wenigenjena, die kurz vorher noch der Unterbringung von Zwangsarbeitern der Firma Schott gedient hatten, wurde er in den folgenden Wochen in der Obhut der US-Army gesund gepflegt.

In seinem zweiten Leben wurde Robert Büchler Kibbuzgründer, Familienmensch, Historiker, Partner und Mitarbeiter im Internationalen Buchenwald-Komitee – ein bezwingender Menschenfreund. Vor Jenaer Schülern hat er gesagt:
„Ihr jungen Deutschen tragt keine Schuld. Aber unser Schicksal ist eure Verantwortung.“
Robert J. Büchler
Im Jenaer Stadtbild erinnern seit langem die schwarzen Metalltafeln entlang der Strecke an den Todesmarsch, ebenso das Denkmal am Heinrichsberg nahe der Friedenskirche. Durch den Stadtteil Wenigenjena, entlang der Karl-Liebknecht-Straße, zieht sich seit einiger Zeit eine markante Erinnerungsstrecke an das, was vor 80 Jahren hier geschehen ist: zwei informative Stelen, nahe der Camsdorfer Brücke und beim Angergymnasium, zwei Gedenkbäume im Rahmen des Projekts „1000 Buchen“ bei der Brücke und an der Schlippenstraße, das Grabmal für die Ermordeten auf dem Ostfriedhof. Der Kulturausschuss der Stadt Jena hat jüngst entschieden, der Wegstrecke entlang des Sportgeländes in Wenigenjena den Namen „Robert-J.-Büchler-Weg“ zu gegeben. Damit sind markante Zeichen gesetzt, die an das ganze Ausmaß dieses letzten schlimmen Verbrechens der NS-Herrschaft in Jena erinnern. Der Todesmarsch von 1945 und das Schicksal von Robert Büchler sind ein Teil der Geschichte des Stadtteils Wenigenjena und der Stadt Jena.
Der Oberbürgermeister von Jena, Dr. Thomas Nitzsche, lädt die Öffentlichkeit für den 11. April 2025 zu einer Gedenkveranstaltung an den Todesmarsch vor 80 Jahren ein. Beginn: 17 Uhr an der Stele beim Angergymnasium. Im Anschluss findet in Anwesenheit der Familie Buchler-Chanash an der nördlichen Seite des Fußgängertunnels die feierliche Namensgebung „Robert-J.-Büchler-Weg“ statt. |
Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Wolfgang Rug vom Arbeitskreis „Sprechende Vergangenheit“ e.V. für diesen sehr bewegenden Beitrag.
P.S. Noch ein besonderer Hinweis: Gerade entsteht in Zusammenarbeit des Arbeitskreises „Sprechende Vergangenheit“ e.V. und der Stadtverwaltung Jena eine Publikation mit den Lebenserinnerungen von Robert Büchler und seiner Bedeutung für die Erinnerungskultur der Stadt Jena. Sie soll am 9. November vorliegen.
Auch nach 80 Jahren heilen bei vielen Opfern die Wunden nicht. Aber die ergreifende Versöhnungsbereitschsft und die geleistete Verarbeitung der schrecklichen ereignisse der immer noch jungen Vergangenheit durch die Erinnerungskultur und durch die immense Arbeit der Initiativen lässt sich vieles mit Dankbarkeit annehmen. Danke.