Die Jenaer Philharmonie spielt vor voll besetzten Rängen im Volkshaus Jena

Vorfreude auf das Jubiläumskonzert im März

Im heutigen Blogbeitrag blicken wir bereits auf ein kulturelles Highlight in Jena im neuen Jahr: Am 8. März 2024 feiert die Jenaer Philharmonie das 90-jährige Bestehen ihres Orchesters mit einem Jubiläumskonzert, bei dem Gustav Mahlers gigantische 8. Sinfonie erklingen wird. Die erstmalige Aufführung der sogenannten „Sinfonie der Tausend“ am Sitz des Orchesters in Jena ist zugleich ein Höhepunkt und zeigt die große, kontinuierliche qualitative Entwicklung des Klankörpers bis heute. Mit über 400 Mitwirkenden lädt die Jenaer Philharmonie schon alleine durch die schiere Größe des Werks in die Sparkassen-Arena Jena ein, die für diesen Abend mit hohem technischen Aufwand in einen klassischen Konzertsaal verwandelt wird und rund 1.500 Gästen die Möglichkeit gibt, das Jubiläum mitzufeiern. Die Jenaer Philharmonie freut sich auf viele Geburtstagsgäste – lassen Sie uns gemeinsam feiern! Tickets für das Konzert sind in der Jena Tourist-Information und online erhältlich.

Mit einem Beitrag von Regisseur, Dramaturg und Autor Michael Dissmeier für das Saisonbuch 2023.2024 der Jenaer Philharmonie möchten wir Ihnen in diesem Blogbeitrag einen Einblick in die 90-jährige Geschichte des Orchesters geben:

Die Stadt Jena und ihr eigenes Orchester

Wenn am 8. März 2024 unter dem Taktstock von Generalmusikdirektor Simon Gaudenz die ersten Takte von Gustav Mahlers 8. Sinfonie erklingen, schließt sich ein beeindruckender Kreis von neunzig Jahren bewegter und bewegender Geschichte. Mahlers opulentes, überschäumendes und doch gleichzeitig auch so nachdenkliches und feinsinniges Werk auszuwählen, um das Jubiläum der Jenaer Philharmonie zu feiern, ergibt gleich mehrfach Sinn.

Mit dem Mahler-Scartazzini-Zyklus stellt das Orchester in den letzten Jahren kontinuierlich seine bemerkenswerte künstlerische Leistungsfähigkeit unter Beweis. Durch die jeweilige Uraufführung der sensibel in Mahlers Klangwelt einführenden, vorangestellten Orchesterstücke von Andrea Lorenzo Scartazzini ist zudem ein Coup gelungen, der große Resonanz in der internationalen Musikszene erzeugt. Die CD-Einspielung des gesamten Zyklus vermag verstärkt Aufmerksamkeit auf die enorme Qualität des Jenaer Klangkörpers zu lenken, der gleichzeitig durch seine umfangreiche Gastspieltätigkeit eine sympathische Botschafterfunktion für Jena und den Freistaat Thüringen ausübt.

Ein Alleinstellungsmerkmal der Jenaer Philharmonie sind zudem die angeschlossenen Chöre. Auch deren kontinuierlicher Beitrag für das reiche Repertoire der Jenaer Konzertprogramme kann nicht spektakulärer gefeiert werden, als mit der Aufführung von Mahlers 8. Sinfonie, die für alle drei Chöre eine große Herausforderung und ein echtes Sängerfest darstellt. Das oft als „Sinfonie der Tausend“ bezeichnete Werk Mahlers feiert die Gemeinsamkeit und das Zusammen. Das umfangreiche Werk ist nur mit Kooperationen sinnvoll zu bewältigen, und so kann das Jubiläum der Jenaer Philharmonie gemeinsam mit der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz, dem Chor der Oper Chemnitz und dem Monteverdichor Würzburg u. a. begangen werden.

Und schließlich ist es im Jahr 2024 eben Gustav Mahler, mit dessen Werk die Stadt Jena ihr eigenes Orchester feiert. Ein Richard-Wagner-Abend war es, mit dem das neugegründete Orchester am 29. November 1934 das erste Konzert bestritt. Dass es ein eigenes, städtisches Orchester in Jena gab, war jahrzehntelang gefordert worden. Dass es ausgerechnet der nationalsozialistische Oberbürgermeister Armin Schmidt war, der sich mit der Gründung eines städtischen Kulturamts und des Städtischen Sinfonieorchesters Jena als durchsetzungsstarker NS-Kulturpolitiker profilieren konnte, ist eine Hypothek, die zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte verpflichtet. Auch deswegen feiert die Jenaer Philharmonie ihr neunzigjähriges Jubiläum mit dem 1934 von Nazis verbotenen Werk Gustav Mahlers, des jüdischen Komponisten, der wie kein zweiter die Musikgeschichte des beginnenden 20. Jahrhunderts bereichert und geprägt hat.

90 Jahre Orchestergründung

Jenas Musikleben vor 1934

Seit 1595 ist die Existenz eines „Collegium musicum“, also einer universitätsnahen Vereinigung für musikalische Aktivitäten, nachgewiesen. Am Hof des späteren Herzogs Bernhard von Sachsen-Jena gab es von 1662 an für ungefähr zwei Jahrzehnte eine eigene, kleine Hofkapelle, bis das kurzlebige Herzogtum wieder mit Sachsen-Weimar zusammenfiel. 1770 wurde das nur noch unregelmäßig tätige Collegium musicum auf Initiative der Universität neu organisiert und hieß fortan „Akademisches Konzert“. Diese Institution war danach über 160 Jahre lang für das Jenaer Musikleben verantwortlich, das in universitärer, „akademischer“, aber eben nicht städtischer Verantwortung stand. Die Konzerte fanden ab 1787 im Rosensaal im Haus „Zur Rosen“ statt. Im 19. Jahrhundert wurde das „Akademische Konzert“ vor allem durch den Juristen Dr. Carl Gille geprägt, der von 1838 bis 1899 tätig war. Er war mit Franz Liszt befreundet, der sein Weimarer Orchester häufig in Jena dirigierte. Auch Max Reger, der vor seinem Tod 1916 eine kurze Zeit lang in Jena lebte, brachte sich ein; einer seiner Freunde, Fritz Stein, hatte als Universitätsmusikdirektor von 1906 bis 1914 die Konzerttätigkeit geleitet. Der Antisemit und spätere Nationalsozialist sollte im Übrigen ab 1933 als Präsidialrat der Reichsmusikkammer die Gleichschaltung der deutschen Chöre durchführen. In der Zeit der Weimarer Republik war UMD Rudolf Volkmann für die akademischen Konzerte verantwortlich. Regelmäßig gastierten namhafte Orchester, häufig die Weimarische Staatskapelle, aber auch aus Dresden, Leipzig und Meiningen. Sogar die Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler gastierten einige Male im Volkshaus, zum Brahmsfest 1929 mit einer bemerkenswerten Aufführung des „Deutschen Requiems“ – zusammen mit den vereinigten Jenaer Chören in einer Stärke von ungefähr 500 Sänger:innen. Spätestens seit der Einweihung des Volkshauses im Jahr 1903 wurden die Rufe jedoch immer lauter, dass das aufstrebende Jena ein eigenes, städtisches Orchester verdiene.

Das Städtische Sinfonieorchester Jena kurz nach der Gründung
©Jenaer Philharmonie, Archiv

Elf Jahre Nationalsozialismus

Am 1. November 1934 wird das Städtische Sinfonieorchester Jena mit einer Stärke von 28 Musiker:innen gegründet. Erster Städtischer Kapellmeister ist Ernst Schwaßmann. Für größere Orchesterbesetzungen wird eine ständige Kooperation mit der Landeskapelle Rudolstadt vorgesehen. Regelmäßig spielen die beiden Klangkörper in den folgenden Jahren gemeinsam. Schon am 9. November 1934 hat das junge Orchester anlässlich der „Gedenkfeier für die toten Helden der nationalsozialistischen Bewegung“ seinen ersten Auftritt mit Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre und dem zweiten Satz der „Eroica“. Am Tag darauf, dem 10. November 1934, wird die Universität anlässlich des 175. Geburtstags Schillers in „Friedrich-Schiller-Universität Jena“ umbenannt (der bisherige Name war „Thüringische Landesuniversität Jena“). Auch zu diesem Festakt spielt das Städtische Sinfonieorchester – Schuberts Ouvertüre und Zwischenaktmusik zu „Rosamunde“.

Am 29. November 1934 folgt mit dem Wagner-Abend das erste offizielle Abonnement-Konzert, die Reihe wird „Volkskonzerte des Städtischen Kulturamts“ genannt. In den nächsten Jahren entfaltet sich eine rege Konzerttätigkeit im Volkshaus. Namhafte Solist:innen wie Wilhelm Kempff, Elly Ney, Edwin Fischer, Gustav Hawemann und Georg Kulenkampff sind zu Gast in Jena. Die akademische Konzertkommission hatte am 10. Juli 1933 zum letzten Mal getagt, danach wird das Konzertleben Jenas unter dem Dach des durch OB Schmidt gegründeten Kulturamts gleichgeschaltet. Die „Akademischen Konzerte“ werden ab Herbst 1934 vom neuen Orchester mitbestritten.

Die Konzertprogramme folgen der nationalsozialistischen Ideologie. Jüdische, französische und englische Komponist:innen fehlen völlig. Zeitgenössische Tondichter:innen werden häufig gespielt, allerdings ausschließlich parteikonforme Komponist:innen mit spätromantischer Tonsprache. Ernst Schwaßmann und sein Orchester können ihre Kunst nicht frei ausüben, sie stehen unter ständiger Kontrolle durch die NS-Kulturpolitik.

Vier Jahre Nachkriegszeit

Nach dem Krieg vereinbart Theaterpächter und -direktor John Biermann mit der Stadt, dass das Orchester vom Theater übernommen wird. Für vier Jahre heißt der Klangkörper nun „Orchester des Stadttheaters Jena“. Chefdirigenten sind bis 1947 Carl Ferrand, dann bis 1949 Albert Müller. Bereits am 7. Oktober 1945 wird das erste Sinfoniekonzert gespielt; am Karfreitag 1946 gibt man sogar Wagners „Parsifal“ konzertant. 1947 erfolgt eine Stellenaufstockung von 25 auf 40 Musiker:innen. Beim Umbau des Theaters 1947/1948 müssen die Musiker:innen des Orchesters bei den Bauarbeiten aushelfen, Opernaufführungen finden in dieser Zeit im Volkshaus statt. 1949 wird das Theater-Ensemble aufgelöst.

Vierzig Jahre Sozialismus

Auch das Orchester soll abgewickelt werden. Durch die Initiative von UMD Gerhard Hergert und dem Direktor der Kinderklinik, Prof. Jussuf Ibrahim, kann jedoch am 1. Januar 1950 ein Orchesterverein gegründet werden, der die Orchestermitglieder monatlich mit 250,- Mark unterstützt. Das Orchester wird erneut umbenannt und heißt zunächst „Jenaer Kulturorchester“. 1951 werden die Musiker wieder im regulären Haushaltsplan der Stadt geführt. Gerhard Hergert wird Chefdirigent, 1953 erhält das Orchester wieder den alten Namen „Städtisches Sinfonieorchester Jena“. Ende der Spielzeit 1955/1956 wird das Orchester in die „Gruppe der republikbedeutenden Orchester der DDR“ aufgenommen. Damit verbunden ist am 14. Juni 1956 die Ernennung Gerhard Hergerts zum Generalmusikdirektor. Als Hergert zum Berliner Sinfonieorchester wechselt, wird 1959 Hans Heinrich Schmitz Leiter des Orchesters.

Mit der Ernennung Günter Blumhagens zum Chefdirigenten im Jahr 1967 beginnt eine sehr erfolgreiche Ära, in der das Orchester von inzwischen 50 auf 82 Stellen aufgestockt werden kann. Am 21. September 1969 erfolgt die heutige Namensgebung „Jenaer Philharmonie“ und die Ernennung Blumhagens zum GMD. 1981 folgt Christian Ehwald auf Blumhagen. Bis zum Abriss des Zuschauersaals im Jahr 1986 begleitet das Orchester regelmäßig die Opernaufführungen des DNT Weimar im Jenaer Stadttheater, ist also auch ein Opernorchester.

50. Jubiläum der Jenaer Philharmonie 1984
©Jenaer Philharmonie, Archiv Kayser

Fünfunddreißig Jahre Demokratie

Trotz des massiven Zuschauereinbruchs und langer gesellschaftlicher Debatten um den Erhalt des Orchesters in der jetzigen Form in den Jahren direkt nach der Wende ist es der Jenaer Philharmonie gelungen, ihre Stellung zu behaupten und ihr künstlerisches Niveau zu bewahren und immer weiter zu steigern. Als größtes, reines Sinfonieorchester Thüringens genießt es inzwischen national und international einen hervorragenden Ruf.

Die Generalmusikdirektoren der Jenaer Philharmonie in dieser Zeit sind Andreas S. Weiser (1990-1998), Andrey Boreyko (1998-2004), Nicholas Milton (2004-2011) und Marc Tardue (2011-2017). Seit dem Jahr 2018 leitet Generalmusikdirektor Simon Gaudenz das Orchester.

Für ihre mit dramaturgischer Stringenz und großem Einfallsreichtum zusammengestellten Konzertprogramme wird die Jenaer Philharmonie mehrmals vom Deutschen Musikverleger-Verband ausgezeichnet. Von 2017 bis 2020 genießt das Orchester zudem eine Bundesförderung als Exzellenzorchester. Eine ausgedehnte Tournee- und Gastspieltätigkeit in ganz Europa und – im Winter 2018/2019 – nach China trägt die Kreativität, Fantasie und Gestaltungsfreude der Jenaer Philharmonie in die Welt hinaus. Das Orchester ist ein sympathischer Botschafter Jenas und Thüringens, die Musiker:innen aus vielen verschiedenen Nationen üben ihre Kunst frei aus.

Ohne Übertreibung ist unsere Jenaer Philharmonie zu einer wichtigen Botschafterin der Lichtstadt Jena geworden. Wir bedanken uns bei Michael Dissmeier für diesen erhellenden Blick in die Zeit- und Orchestergeschichte. Und dann freuen wir uns auf ein spannendes Konzertjahr 2024.

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