Die Musik- und Kunstschule Jena feiert ihr 75-jähriges Jubiläum
Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Jean Culture, und ich habe gerade meinen 75. Geburtstag gefeiert. Zufällig fällt mein Geburtsjahr auch auf das der Musik- und Kunstschule Jena (fortan als MKS). Was für ein schöner Zufall, denn ich bin ein Liebhaber aller Musiken und Künste. So haben die MKS und ich die Chance genutzt und unser Jubiläum gemeinsam am Sonntag, dem 11. Juni 2023, mit einer fantastischen Show zelebriert.
Als älterer Kunstkenner bin ich von gemischten Gefühlen erfüllt, wenn es um die neue Generation von Jugendlichen und die Zukunft der MKS geht. Während ich von ihrem Talent und ihrer grenzenlosen Kreativität beeindruckt bin, macht sich ein Teil von mir Sorgen über die Richtung, in die sich die Kunst und der künstlerische Ausdruck bewegen. Dies habe ich auch von Anfang an geäußert:
„Was soll nur aus den jungen Menschen werden? Die wissen doch gar nichts mehr mit ihrer Zeit anzufangen. Früher gingen die Kinder noch zum Malkurs, zum Ballettunterricht oder nahmen Geigenstunden. Da war keine Zeit für Langeweile. Heute vertreibt man sich die Zeit mit sinnlosen Zerstreuungen wie Computer-Zocken, Am-Handy-Spielen, TikTok-Videos drehen oder einfach nur chillen. Ich sehe wirklich schwarz für die Zukunft. Bald braucht es eine Musik- und Kunstschule wohl nicht mehr…“
– beängstigende Gedanken, die sich in mir ausbreiteten. Doch wurde ich eines Besseren belehrt.
Der Entstehungsprozess und die Proben für die Aufführung zum 75-jährigen Bestehen der MKS waren ein Wirbelwind aus Kreativität, Hingabe und besonderer Zusammenarbeit. Schon Monate vor der Veranstaltung begaben sich die Schüler:innen und Lehrer:innen der Schule auf eine transformative Reise, um ihre künstlerischen Visionen auf der Bühne zum Leben zu erwecken.
Die wohl größte Aufgabe war es, den Bereich der Künste, bildende und darstellende Kunst, auf die Bühne zu bringen. Leichter ist es oftmals für Musiker:innen, sich auf Konzerten darstellen und zeigen zu können. So sollte der Fokus doch dieses Mal mehr auf dem Kunstbereich liegen.
Hierfür hat die MKS die Produktionsleiterin Mona Lunte gebeten, sich der Aufgabe anzunehmen. Gemeinsam mit Claudia Kirchhof, Schauspiel-Lehrerin der MKS und Mitarbeiterin des Theaterhauses Jena, haben sie eine musikalisch-szenisch bunte Collage entwickelt, in der ich, Jean Culture, die Hauptrolle spielte. Denn ich habe mein Leben dem Streben nach künstlerischer Exzellenz gewidmet. Aber wenn ich die jüngere Generation beobachte, fällt es mir manchmal schwer, mich mit ihrer künstlerischen Auswahl und ihrer Interpretation von Kunstformen zu identifizieren.
Umso spannender war der Entstehungsprozess des Ganzen: Es begann mit Brainstorming-Sitzungen, in denen erst einmal die beteiligten Fachbereichsleiter:innen aus Musik, Kunst, Tanz und Schauspiel gleichermaßen ihre Ideen austauschten und verschiedene Themen und Konzepte erkundeten, um so auch die künstlerischen Disziplinen der Schule nicht nur präsentieren sondern auch verschmelzen und zusammenzubringen zu können.
So erzählte mir Claudia Zohm, die Chorleiterin, Folgendes:
„Ekkehard Engelmann, Kunstlehrer an der Musik- und Kunstschule, setzte mit seiner Kunstklasse im ersten Schulhalbjahr den Schwerpunkt ‚Nichtgegenständliche Malerei‘. Das war für die Kunstschüler:innen Neuland. Ekkehard beschrieb mir, dass es ein Prozess war, gegenständliche Ideen völlig auszublenden und nur Form und Farbe wirken zu lassen. Beate Bachmann, auch Lehrerin an der Musik- und Kunstschule, und ich bekamen im Februar eine Auswahl beeindruckender Arbeiten präsentiert, aus denen wir 7 oder 8 auswählten und mit in die Chorprobe nahmen. Das Vokalensemble besteht aus 19 Schüler:innen zwischen 12 und 18 Jahren – alle haben mehrjährige Chorerfahrung. Im Kinderchor haben wir auch immer mit kleinen Improformaten gearbeitet, aber noch nie ein Bild vertont. Denn das war die Idee. Zunächst versuchten wir verschiedene Zugänge zur Improvisation mit Stimme und Bewegung: Im Raum laufen und den Atemrhythmus verklanglichen und in Bewegung zeigen, Herzschlag in Klang umsetzen, einen Kanon ohne Rhythmus singen, kleine Konsonantenecken bauen und vieles mehr.
Wir besprachen die entstandenen Klänge, dann betrachteten wir die Bilder aus Ekkehards Klasse und überlegten, wie diese klingen könnten. Demokratisch fiel die Entscheidung auf einen Bildfavoriten, für den wir dann eine Umsetzung suchten und fanden. Der Prozess war für die Schüler:innen ungewohnt. Es gab vor allem Vorbehalte gegenüber der Bewegungskomponente. Mit der ersten Probe in der Imaginata wurde der Kontext für alle besser sichtbar, und das Eis war gebrochen. Danach freuten wir uns auf eine ungewöhnliche und spannende Aufführung.“
Auch Beate Bachmann teilte mir ihre Gedanken während der Probenwochen mit:
„Wir sind noch eine sehr junge Gruppe. Normalerweise beschäftigen wir uns nur 2-3 Wochen mit einem Thema und gehen dann weiter zum nächsten. Die Anforderungen einer langfristigen Vorbereitung und der nötigen Konzentration stellt die Gruppe vor hohe Herausforderungen. Das gesamte Konzept erschloss sich der Gruppe nicht gleich, da wir nur einen Schnipsel davon performen. Die Angst, bloßgestellt werden zu können, war anfangs sehr hoch. Mit der Zeit und dem Üben wurde das Selbstvertrauen stetig höher. Nun engagiert sich die Gruppe und wächst daran künstlerisch sehr. Die Performance hat sich aus der Gruppe heraus und mit der Musik und den Musikern, die am Akkordeon und Violoncello spielen, entwickelt. Ich hab den Eindruck, wir wachsen in der letzten Probe noch ein Stück weiter.“
Die Vision für die Jubiläumsshow wurde somit immer klarer: Man wollte mich erinnern, dass Kunst ein lebendiges, atmendes Wesen ist, das sich mit der Zeit weiterentwickelt. Es lag also in meiner Verantwortung, den Wandel zu begrüßen.
Mit mehr als 100 teilnehmenden Schüler:innen war die Bühne für eine unvergessliche Aufführung bereitet. Empfangen wurden die 200 Besucher:innen zu Musik der Bläserensembles und Bläserklassen im Außengelände der Imaginata – der perfekte Ort für eine Fusion der verschiedenen Kunstformen. Die Jubiläumsshow selbst fand in einem der Gebäude der Imaginata, der sogenannten Spielhalle, statt und umfasste dann eine Reihe von künstlerischen Disziplinen der Bereiche Musik, Tanz, Kunst und Schauspiel, miteinander verwoben und voller Ausdruck.
Die Aufführung war eine echte Feier der reichen Geschichte der Schule und ihres anhaltenden Engagements für die Förderung künstlerischer Leistungen. Sie brachte die Gemeinschaft, Eltern, Familien, Freunde, Lehrkräfte und Ehemalige zusammen, um die Kreativität der Schüler:innen zu bestaunen. So war es auch am Ende für mich eine Erinnerung an die Bedeutung der künstlerischen Ausbildung und die nachhaltige Wirkung, die sie auf den Einzelnen und die Gemeinschaft als Ganzes hat.
Nach der Aufführung wurde auch noch zu einem kleinen Sommerfest mit Solobeiträgen aus der Fachgruppe JazzRockPop und dem Jazzchor sowie Verpflegung durch den Freundeskreis der MKS eingeladen – ein rundum perfekter Geburtstag.
Ich freue mich auf all das, was noch kommen mag,
Ihr Jean Culture
Wir danken Jean Culture für diesen tollen Beitrag und wünschen unserer Musik- und Kunstschule alles Gute zum 75. – auf die nächsten 75 Jahre!
Und Sie, waren Sie vielleicht sogar live dabei und haben Jean Culture persönlich kennengelernt?