Magazin der Stadtgeschichte Jena mit alten Schildern, Bildern, Werbetafeln und vielen Akten

Es ist gleich ein doppelter Medienwandel, der im Bereich der musealen Inventarisierung in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat. Lange Zeit waren Karteikarten das gebräuchlichste Mittel der Wahl, um Sammlungsobjekte zu erfassen und zu dokumentieren. In den 1990er Jahren in Museen noch allgegenwärtig, muten diese heute bereits wie antiquierte Relikte einer vergangenen Epoche an. Technologische Entwicklungen eilten vorwärts und mit der zunehmenden Verbreitung und vereinfachten Anwendbarkeit von Computern wurden Datenbankprogramme zum Selbstverständnis. Tausende Objektdaten waren in der Folge nicht nur in Jena von den analogen Karteikarten (oftmals) händisch in eine spezifische Software übertragen worden. Ein entscheidender Fortschritt – das rasante Tempo der digitalen Entwicklung bedingte mit dem Aufkommen des Internets jedoch direkt die nächste Anpassung: Aus der schnell veralteten, internen Museumssoftware musste eine Datenmigration auf eine zukunftsfähige, online verfügbare Plattform stattfinden. Seit 2019 werden die Sammlungen der Städtischen Museen Jena sukzessive auf die Plattform digiCult übertragen, wobei nicht nur alle Kosten, sondern auch die Entwicklung vom Freistaat Thüringen und dem Museumsverband des Landes getragen worden.

Altes Inventarbuch
Das alte Inventarbuch der Städtischen Museen Jena taugt heute selbst zum Museumsstück. | ©Städtische Museen Jena

Digitalität hat viele Vorteile und ist längst zum Arbeitsstandard geworden. Das hat auch für die Städtischen Museen Jena viel verändert und zahlreiche neue Möglichkeiten geschaffen – ein Prozess, der weiter fortschreitet und sämtliche Bereiche berührt. Für Museen und ihre Träger bringt der digitale Wandel viele große Chancen, stellt aber auch vor erhebliche Herausforderungen. Begonnen bei der digitalen Objektaufnahme über digitale Vermittlungskonzepte bis hin zur Entwicklung digitaler Ausstellungsstrategien: sowohl aus Perspektive der Besucher:innen als auch seitens des Museums scheinen die Potenziale durch die Digitalisierung vielfältig und unerschöpflich. Gleichzeitig kollidieren die meist sehr großen Datenmengen bei der Sammlungsdigitalisierung mit Nachhaltigkeitszielen. Auch bleiben bis dato viele Fragen rund um den Urheberrechtsschutz – insbesondere im Bereich der Kunst – ungeklärt. Neutraler formuliert handelt es sich bei der Digitalisierung mittlerweile unbestritten um ein Transformationsthema. Ob gewollt oder nicht: Im Rahmen des digitalen Wandels entscheidet sich, in welcher Form Museen ihre Zukunft gestalten. Das schließt die interne Organisation und Arbeitsweise ebenso ein wie die Vermittlung musealer Inhalte und die Ansprache des Publikums.

Karteikarte der Kunstsammlung Jena zu Erich Kuithans Gemälde "Der Frühling"
Vor der Digitalisierung: Karteikarte der Kunstsammlung Jena für Erich Kuithans Gemälde „Der Frühling“. | ©Städtische Museen Jena

Die digitale Erfassung der eigenen Bestände ist dabei der Bereich der musealen Arbeit, der die Grundlage schafft für alle weiteren Aufgaben, die im Zusammenhang mit den Sammlungen stehen. Das betrifft die Grundfunktionen eines Museums: Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausstellen. Jedes einzelne Sammlungsobjekt, das sich im Museum befindet oder neu hinzukommt, wird mit spezifischen Angaben inventarisiert und über eine eigene Inventarnummer identifizierbar gemacht. Die wichtigsten Informationen, wie die Künstler:in / Hersteller:in, Titel, die zeitliche Einordnung, Größenangaben, Materialien oder Technik wurden traditionell auch auf den Karteikarten aufgelistet. Die Möglichkeiten, wie sie sich durch digitale Systeme wie digiCult ergeben, führen jedoch weit über diese Basisangaben hinaus.

2003 zunächst als ein Pilotprojekt zur digitalen Erfassung und Publikation ausgesuchter Museumsbestände in Schleswig-Holstein gegründet, verwenden digiCult inzwischen zahlreiche Museen und Sammlungen anderer Bundesländer sowie in Belgien und den Niederlanden. Es handelt sich hierbei um einen Verbund von Museen, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen zur kooperativen digitalen Bestandserschließung und -publikation sowie Sicherung des kulturellen Erbes. Zentral ist die Bestrebung, durch neue Technologien den Weg in die Wissensgesellschaft zu unterstützen. Zur Dokumentation der Museumsbestände wurde ein digitales Gesamtkonzept entwickelt, das nationale und internationale Standards aus der Bibliotheks- und Museumsdokumentation umsetzt und auch weiterentwickelt. Über die Bestandserschließung hinaus entsteht eine Datenvernetzung, die den Informationsaustausch zwischen Einrichtungen begünstigt und Bestände im Internet zugänglich macht.

Datenbanksystem DigiCULT mit dem Eintrag zu Erich Kuithans Gemälde "Der Frühling"
Digitalisierte Bestandserfassung: Erich Kuithans Gemälde „Der Frühling“ in digiCult. | ©Städtische Museen Jena

Für die Eingabe von Objektdaten bedeutet dies konkret, dass nicht nur die Grundangaben nach aktuellen Standards unter der Verwendung kontrollierter Vokabulare erfasst werden. An jeden einzelnen Datensatz lassen sich weiterführende Informationen knüpfen, die die Forschung unterstützen, Prozesse im Museum vereinfachen oder zur Vermittlung nach außen dienen. Es kann zum Beispiel der Zustand eines Gegenstands protokolliert werden, Provenienzhinweise können gesammelt und bewertet werden und die Ausstellungs- und Leihgeschichte ist anschaulich dokumentierbar. Neben fotografischen Abbildungen können weitere Dateien, Links oder Literaturhinweise hinterlegt werden, außerdem lassen sich verwandte Objekte miteinander verknüpfen sowie Verweise zu anderen Datenbanken einfügen. Die Dokumentation und die wissenschaftliche Erforschung der Sammlung werden dadurch bedeutend erleichtert und effektiviert. Ebenso ist die Aufbereitung zur Onlinepräsentation von Kunst- und Kulturgegenständen für die Öffentlichkeit unkompliziert möglich.

Wo der virtuelle Raum als grenzenlos dargestellt wird und sich den Anwender:innen unzählige Optionen darbieten, achten wir als Museum darauf, dass die Digitalisierung nicht zu einem reinen Selbstzweck verkommt. Die primären Nutzungsziele sind aktuell die Vereinfachung interner Arbeitsprozesse sowie das Sicherstellen eines langfristig zukunftsfähigen Sammlungsmanagements. Darüber hinaus begreifen wir Digitalisierung als Medium der Wissensanreicherung, Forschung und Vermittlung. Mit fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnen die Kenntnis der Sammlung zu erweitern, ist die Voraussetzung einer sinnvollen Publikation, worauf wiederum die museale Vermittlung beruht.

Magazin in der Kunstsammlung Jena mit Skulpturen, Gemälden einer Ritterrüstung und einem Schwert
Das Magazin der Kunstsammlung Jena. | ©Städtische Museen Jena

Bei allen Perspektiven befinden wir uns hier in einer aktuell noch defizitären Übergangssituation. Denn der technische und personelle Aufwand von Digitalisierungsprozessen ist erheblich. Die Objekte sind erfasst, der eigentliche Vorteil der Digitalisierung, bis zur ausreichenden Anreicherung von Wissen und der Publikation dieser Erkenntnisse ist der Weg noch weit und enthält viel von dem, was man klassische Museumsarbeit nennt. So werden Neuzugänge regelmäßig eingepflegt und inventarisiert, für die Erforschung fehlen allzu oft die Ressourcen.

Der rechtliche Rahmen bezüglich der Digitalisierung urheberrechtlich geschützter Objekte stellt eine weitere Hürde dar, da vor allem Publikationen zeitgenössischer Werke mit aufwändigen Genehmigungsverfahren und Kosten verbunden sind. Als Kernaufgabe der musealen Praxis wird die Digitalisierung von Inhalten und Sammlungsbeständen jedoch nicht verschwinden. Einen bemerkenswerten gegenläufigen Effekt hat diese Entwicklung allerdings auch: Im Schlagschatten der Digitalisierung wächst im physischen Raum die Sehnsucht nach dem Original. Dieses bleibt in seiner Authentizität und Aura unersetzlich – für die Zukunft der Museen und ihre Gestaltung bleibt das eine essenzielle Voraussetzung.

Wir danken dem Leiter der Städtischen Museen Jena, Erik Stephan für diesen tiefen Einblick in die wichtige und vielschichtige Museumsarbeit! Hätten Sie gewusst, liebe Leser:innen, was hinter den Ausstellungsräumen, im Verborgenen alles an musealer Arbeit läuft?

Welche Aspekte der Museumsarbeit würden Sie noch interessieren? Schreiben Sie uns in den Kommentaren!

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