Allgemein Musik- und Kunstschule Jena

Spielfreude an der MKS Jena

Gruppenbild, Schüler:innen der MKS Jena bei einem Auftritt

Über Klezmer und das Entdecken traditioneller Musikstile

Klezmer-Musik ist mehr als nur ein Klang – sie ist ein lebendiges Erbe, tief verwurzelt in der Geschichte und über Generationen hinweg weitergegeben. In einer Welt voller moderner Musikstile bietet das Eintauchen in traditionelle Musik eine besondere Chance, unsere kulturellen Wurzeln neu zu entdecken. Antje Taubert, Musikpädagogin an der Musik- und Kunstschule Jena (MKS), hat eine besondere Leidenschaft für Klezmer entwickelt. Seit ihrem Studium fördert sie mit verschiedenen Projekten traditionelle Musikstile und begeistert junge Menschen wie ihre Schülerin Amelie Kämnitz dafür.

In diesem Blogbeitrag geben wir Einblicke in ihre Arbeit und zeigen Möglichkeiten auf, wie andere Interessierte teilhaben und sich begegnen können.

Antje Taubert auf der Bühne stehend
Antje Taubert ©MKS Jena, Antje Taubert

Antje, woher kommt Deine Begeisterung für diese Art von Musik?

Während meines Studiums zur Diplomorchestermusikerin verbrachte ich ein Auslandsjahr in Finnland. Dort erlebte ich, wie Musiker die traditionelle Musik Skandinaviens in neuen Gestaltungsformen erprobten. Spätere Begegnungen in Formationen u. a. mit persischen und türkischen Musikern zeigten mir, wie unterschiedlich Musikkulturen funktionieren und erfahrbar sind. Als Teilnehmerin bei Kursen des Yiddish Summer Weimar war es beeindruckend zu erleben, wie Menschen aller Altersgruppen zusammen agierten. Bei Konzerten sehe ich, wie das Publikum die vielfältigen Stimmungen der Musik aufnimmt. Es fasziniert mich, auf das Unvorhergesehene musikalisch mit meinen Kolleg:innen reagieren zu können. Diese Verbindung von Tanz, Gesang und Instrumentalspiel prägt mein Verständnis von Musik. Die vielfältigen Wege, Musik zu erlernen, fließen nun in meinen Unterricht ein.

An Klezmer mag ich, dass die Musik aufgrund der Harmonien und Tonarten gleichzeitig freudig und melancholisch ist. Die Rhythmen sind abwechslungsreich und schwungvoll, und ich spiele sehr gerne zum Tanz. In der Gruppe macht es Spaß, verschiedene Funktionen zu übernehmen zum gleichen Stück (Melodie, Nebenstimme, Rhythmus). Klezmer macht einfach gute Laune.

Martina G., erwachsene Schülerin der MKS Jena

Du unterrichtest bei uns in der MKS Klarinette und Saxophon und spielst selbst in verschiedenen Klezmerformationen mit. Neben dem Einzelunterricht hat das Spielen im Ensemble eine große Bedeutung für Dich. Kannst Du uns erklären, was das gemeinsame Musizieren in einer Gruppe für Vorteile bringt?

Das zentrale Lernfeld im Einzelunterricht sind zumeist methodische Grundlagen sowie interpretatorische und spielerische Kompetenzen, die es am Instrument zu vermitteln gilt. Sich und sein Spiel in den Kontext mit anderen zu setzen, verschiedene Musikgattungen und Stilistiken zu erfahren, musikhistorische und theoretische Kenntnisse zu erwerben, gehört für mich zu einer umfassenden Musikausbildung dazu. Vor allem die Musik mit Gleichgesinnten teilen zu können, ist ein unglaublich schönes Geschenk, welches ich jedem Schüler und jeder Schülerin ausdrücklich wünsche. Für unerlässlich halte ich deshalb – zusätzlich zum Einzelunterricht – das gemeinsame Musizieren im Duo, in einer Band bis hin zum Orchester.

Es ist ganz besonders, wie beim Klezmer Melancholie und Lebenslust gleichzeitig in einer Melodie zusammenwirken. Das lässt einen beim Spielen und Zuhören nie unberührt.

Friederike W., Schülerin der MKS Jena

Wir haben das große Glück, den Schüler:innen hier bei uns am Haus viele Möglichkeiten zum Auszuprobieren anbieten zu können: vom Ensemble für Alte Musik über Bläser- und anderen Kammermusikensembles bis hin zu verschiedenen Orchestern, Big Bands und sogar elektroakustischer Musik. Dass Schülerinnen und Schüler für sich herausfinden, welche Stilistik sie ansprechen oder ob sie mit ihrem Instrument auch Musik spielen können, die vermeintlich untypisch ist, sehe ich als Bereicherung moderner Musikpädagogik. Zu sehen, wie wir uns gegenseitig inspirieren können, Spieler:innen immer weiter aufblühen und wie spontane Dinge beim Musizieren entstehen, macht unglaublich Freude!

Gruppenfoto Klezmerworkshop, ca. 20 freudige Personen mit Instrumenten
Gruppenfoto Klezmerworkshop ©MKS Jena, A. Taubert

Du engagierst Dich leidenschaftlich für den Aufbau und die Förderung des Klezmer-Bereichs an der Musik- und Kunstschule Jena und begeisterst Schüler:innen mit verschiedenen Instrumenten dafür. Neben zahlreichen Klezmer-Workshops hast du vom 8. bis 11. August 2024 interessierte Jugendliche zum Yiddish Summer Weimar 2024 begleitet und leitest außerdem seit Februar ein Klezmerensemble hier am Haus. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Dieses Jahr gab es beim „Yiddish Summer Weimar“ wieder eine Jugend Klezmer Band, erstmals in Kooperation mit der Musikschule »Johann Nepomuk Hummel« Weimar. Auch Schüler:innen der MKS Jena nahmen daran teil. Für mich und die Schüler:innen war es ein Experiment gleich zu Beginn des neuen Schuljahres. Denn ohne Noten vorab wussten sie nicht genau, was auf sie zukommt, außer: „…eine spannende und praktische Einführung in die Klezmer-Musik und das jiddische Lied. Eure Dozent:innen sind internationale Stars, die es lieben, jungen Menschen diese wunderbare Musik mit ihren schönen Melodien und tollen Beats näher zu bringen.“ So stand es online bei der Anmeldung zu lesen. Im Nachhinein hallen die zahlreichen Melodien und die Begeisterung der Teilnehmenden und des Publikums noch lange nach. Als krönender Abschluss wurde die Teilnahme nach dreitägiger Probenzeit mit einem überwältigenden Konzert hinter der Alten Synagoge in Erfurt zur Feier des UNESCO-Welterbes belohnt. Die zwölfjährige Schülerin Anna W., die auch beim Yiddish Summer Weimar mitgemacht hat, sagt:

Klezmer macht einfach Spaß. Und selbst wenn man noch nicht so gut ist, kann man die Melodien begleiten. Im Workshop und im Ensemble lernt man andere Kinder kennen, die das Gleiche mögen.

Anna W., Schülerin der MKS Jena

Die Spielfreude und Begeisterung nehmen wir nun mit in die Proben des Klezmerensembles. Seit diesem Schuljahr hat es eine feste Probenzeit jeden Donnerstag von 18:30 bis 19:15 Uhr. Das Besondere an diesem Ensemble ist, dass wir gemischte Instrumente haben und auch vieles nach Gehör lernen. Die Besetzung der Gruppe entscheidet darüber, wie wir ein Stück arrangieren. Wir experimentieren mit Begleitrhythmen, Variationen der Melodie und schauen gemeinsam, wie das Stück am Ende klingen soll. Zu Hause übt jede:r die Melodien weiter nach Aufnahmen und Noten.

Das Angebot ist offen für alle Instrumentalist:innen im Alter von 9-18 Jahren. Auch Interessierte, die nicht an der Schule Unterricht erhalten, sind willkommen und können gern in eine Probe zum Schnuppern kommen. Unser nächstes Ziel ist ein Auftritt bei der Lebenshilfe am 24. September und am 9. November 2024 beim „Klang der Stolpersteine“.

Das Musizieren in der Klezmergruppe war eine wunderbare Erfahrung. Antje Tauberts feinfühlige Art und ihr Spaß an musikalischen Experimenten bringen Leichtigkeit ins intensive Proben. Es ist faszinierend, dass Kinder jeden Alters in die Gruppe hineinwachsen und Freude daran haben, mit einer einfachen Begleitstimme Teil des Klangs zu sein.

Grit Messlin, Geigenkollegin an der MKS Jena

Eine weitere Möglichkeit, in die Welt der traditionellen Musik einzutauchen und mit anderen zu musizieren ist das Jugendfolkorchester, an dem auch eine Deiner Schülerinnen teilnehmen durfte. Eine großartige Erfahrung, wie uns die 17-jährige Amelie im Nachhinein berichtet.

Amelie spielt seit über zehn Jahren Klarinette und ist seit 2019 im Unterricht von Antje Taubert. Die Lehrerin weckte auch bei ihr die Leidenschaft für die Klezmermusik:

Sofort hat mich diese Musik begeistert und ich habe viel Freude daran, diese Melodien zu spielen. Vor allem die Vielseitigkeit und Individualität der Musik haben mich gepackt. Durch den abwechslungsreichen Unterricht von Antje Taubert und ihrem weitreichenden Wissen konnte ich viel über die Hintergründe der Klezmer-Musik, der Tänze und der hebräischen Sprache erlangen. In den letzten Jahren habe ich so eine große Zahl an Liedern nach Gehör gelernt, Menschen beim Tanzen musikalisch begleiten dürfen und gelernt, wie man Musik interpretieren und verzieren kann. Leider ist diese Musik vor allem unter jungen Menschen noch nicht so verbreitet und bekannt. Im Herbst 2023 kam Antje Taubert auf mich zu und fragte mich, ob ich mich für das neu gegründete Jugendfolkorchester bewerben möchte. Dies habe ich mit viel Neugierde und Lust getan.

Amelie, Schülerin der MKS Jena

Das Jugendfolkorchester wurde dieses Jahr ins Leben gerufen und vereint junge Musiker:innen im Alter von 12 bis 25 Jahren. Nach einer intensiven Lern- und Vorbereitungsphase sowie einem gemeinsamen Probencamp im Juli traten sie bei zwei Konzerten auf dem Rudolstadt-Festival auf, dem größten Festival für Roots-, Folk- und Weltmusik in Deutschland. Amelie bewarb sich mit Videos für das Projekt und erhielt die Möglichkeit, mit ihrer B-Klarinette und Bassklarinette teilzunehmen.

Amelie berichtet weiter: „Nach der Bestätigung, dass ich Mitglied wurde, bekamen wir die Stücke, welche wir dann nach Gehör und teilweise mit Hilfe von Noten lernten. Nach intensiver Vorbereitung traf sich das Orchester erstmals. Wir verbrachten gemeinsam die Woche vom 30.06. bis zum 07.07.2024 im Allianzhaus Bad Blankenburg und probten. Ab dem ersten Tag an benutzten wir keine Noten, was dem Spielen ein gewisses Stück Freiheit verlieh. Mit der tollen Leitung von den Referent:innen Sabrina Palm, Alex Froitzheim, Jürgen Treyz und Gudrun Walther haben wir die Stücke arrangiert und geübt. Besonders toll fand ich dabei, dass auf jedes Instrument geachtet und es einmal hervorgehoben wurde, so dass am Ende jedes Instrument mal in den Vordergrund gestellt wurde. Es war zu spüren, dass alle mit der gleichen Motivation ein Ziel verfolgten, eine Leidenschaft teilen und viel Freude dabei haben.“

„Zurückblickend kann ich  sagen, dass ich mit ganz vielen positiven Gefühlen und Erinnerungen an diese Zeit aus dem Projekt Jugendfolkorchester gehe. Ich habe fantastische Menschen, neue Instrumente und eine wundervolle Musikrichtung kennengelernt. Ich konnte mein Wissen erweitern und vor allem auf der Bassklarinette meine Fähigkeiten steigern. Es war auf ganz vielen Ebenen bereichernd und noch immer fehlen mir die Worte, um das ganze Ausmaß meiner Erlebnisse und Gefühle zu schildern. Ich weiß nur, das diese Zeit noch lange in mir nachhallen wird und ich den Folk weiter verfolgen werden, sei es auf Festivals mit meinen Instrumenten oder auf Tanzabenden. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, ein weiteres Mal an diesem Projekt im Jugendfolkorchester teilnehmen zu dürfen. Zudem hoffe ich, dass die Folk- sowie Klezmer-Musik mehr Gehör in der Öffentlichkeit bekommt. Dies war auch ein Ziel dieses Projektes. Bisher ist der Folk noch recht unbekannt und auch nicht im Studium als Fach belegbar. Das soll sich ändern. Zunächst scheinen die Noten von Klezmer- und Folk-Stücken für viele Menschen, die noch keine Berührungspunkte damit hatten, unscheinbar. Oft wird die Community, die diese fabelhafte Musik spielt oder sich mit der Kultur dessen auseinander setzt, belächelt. Doch lässt man sich darauf ein, kann einem eine Welt voller zauberhafter Klänge, Tänzen, einem tollen Miteinander und unvergesslichen Erlebnissen eröffnet werden. So ist es beim Jugendfolkorchester und beim Klezmer-Ensemble. Ich würde mir sehr wünschen, dass diese Themen in der Schule eine Rolle spielen und behandelt werden und auch an Orten wie der Musik- und Kunstschule öfter vertreten sind. Für viele Organisator:innen von Orchestern oder ähnlichem ist es schwer, finanzielle Unterstützung oder auch Räume zu finden. Es gibt viele Nischen in der Musik und diese sollten auch gefördert werden, so wie es bei der Klassik schon lange der Fall ist.“

Die Berichte von Amelie und Antje Taubert lassen uns die Begeisterung für traditionelle Musik förmlich spüren. Es ist inspirierend zu sehen, wie sie ihre Spielfreude teilen und damit hoffentlich noch viele weitere Musizierende anstecken.

Falls Ihr neugierig geworden seid und ein Instrument spielt, meldet euch gerne zum Schnuppern beim Klezmerensemble an der Musik- und Kunstschule Jena an oder nehmt am nächsten Klezmerworkshop am 23. und 24. Mai 2025 teil. Gemeinsam entdecken wir die Freude am Klezmer und an traditioneller Musik. Auch Interessierte, die nicht an der Schule unterrichtet werden, sind herzlich willkommen und können gern an einer Probe teilnehmen.

Und wir sagen Danke an Dich, Katrin Paninski (Projektmanagement und Öffentlichkeitsarbeit MKS Jena), für das Interview.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .