Die erste gemeinsame tutti pro-Probe im Volkshaus Jena, viele Musiker:innen sitzen auf der Bühne mit Ihrem Instrument

Beate Bachmann, Musikvermittlung für die Jenaer Philharmonie, Gesang und Früherziehung an der Musik- und Kunstschule Jena & Projektkoordination tutti pro, hat sich mit Musiker:innen der Jenaer Philharmonie und des Jugendsinfonieorchesters der Musik- und Kunstschule Jena gemeinsam getroffen und über das für alle Seiten spannende und herausfordernde Projekt gesprochen. Wie fühlt es sich für die Profi-Musiker Weronika Tadzik und Alexander Wegelin (JP), wie für den Nachwuchs Sophie, Anna und Till (MKS) an? Lesen Sie selbst!

„Natürlich haben wir etwas, das uns verbindet!“

Anna, Violinistin im Jugendsinfonieorchester der Musik- und Kunstschule Jena

Zwei Welten treffen aufeinander. Ohne Aufprall, Explosion, Feuer, Dramatik. Zwei musikalische Welten treffen aufeinander, und die Klänge dabei sind zart und melancholisch, aufbrausend und gewaltig, beschwingt und tänzerisch.

Diese beiden Welten heißen „Jugendsinfonieorchester der Musik- und Kunstschule Jena“ und „Jenaer Philharmonie“. Deren Verbindung nennt sich tutti pro – alle wie Profis. Um genau zu sein: alle wie musikalische Profis.

Denn beim tutti pro-Konzert an diesem Sonntag, 23. Februar 2025 sitzen die Teenager aus dem Jugendsinfonieorchester, kurz JSO, gemeinsam mit den Berufsmusiker:innen der Jenaer Philharmonie, kurz JP, auf der Bühne im Volkshaus Jena. Vorher wird gemeinsam geprobt und zwar nach professionellem Maßstab.

Darauf hat sich das JSO lange vorbereitet. Seit September proben die Jugendlichen unter der Leitung von Ulrike Zinke und Katharina Hoffmann am Konzertprogramm. Ein ganzes Team aus Musikschullehrkräften unterstützt dabei: das Orchester teilt sich während der Proben in Streicher- und Bläsergruppen, oder es fächert sich gleich in alle einzelnen Stimmgruppen in mehrere Räume auf. Im zusätzlichen Einzelunterricht blicken die entsprechenden Instrumentallehrer:innen mit den Jugendlichen nochmal ganz genau auf die schwierigen Stellen. Schritt für Schritt erobert sich das JSO die einzelnen Orchesterwerke, festigt das klangliche Grundgerüst und trifft Mitte September 2024 erstmals auf die Jenaer Philharmonie.

„Schließlich übt man nicht, um zu üben, in einem kleinen Zimmerchen, ganz allein, mit einer Kerze.“

Weronika Tadzik,Violinistin in der Jenaer Philharmonie

Während das JSO schon intensiv probt, lassen sich engagierte Musiker:innen aus Thüringens größtem Konzertorchester für die Patenschaft des Musikschulorchesters begeistern und wollen im fortgeschrittenen Probenprozess Brücken zwischen ihren musikalischen Welten bauen.

Ich erinnere mich, dass ich in meiner Musikschulzeit diesen freundlichen Kontakt zum Berufsorchester nicht hatte. Für mich waren diese Profis alle wesentlich älter und sehr ernst. Ich hätte mir damals einen solchen Austausch sehr gewünscht, um mir eine Brücke in diese Welt zu ermöglichen.“ Weronika Tadzik, Violinstin in der Jenaer Philharmonie

In der Praxis bedeutet dieses Brücken-Ermöglichen für die Berufsmusiker:innen die Probenleitung mit den Stimmgruppen im JSO. So probt der Proficellist mit der Cellogruppe des JSO und die Kollegin aus den zweiten Geigen der JP übt mit den jungen Geigerinnen der Musikschule. Es finden sich Pat:innen für alle Streicherstimmen, für die Blech- und Holzbläsergruppen. Zum Teil kennt man sich untereinander, zum Teil ist die Begegnung mit den Jugendlichen Neuland. Neuland ist auch die ungewohnte pädagogische Ausrichtung des Musikberufs für manche Pat:innen, eine Gratwanderung zwischen „Ich will nahbar sein“ und „Ich will auch den Inhalt effektiv vermitteln“.

Weronika Tadzik beschreibt: „Die MKS hat tolle Pädagoginnen und Pädagogen und die haben einen harten Job, denn sie kommen jeden Tag, jede Woche, jeden Monat und unterrichten. Ich komme einfach und springe in den Raum mit meinen frischen Ideen und springe raus – also ich habe im Vergleich bei weitem nicht eine solche Verantwortung!“

Sophie, Querflötistin beim JSO, ergänzt um die Perspektive aus dem JSO: „Wenn wir mit unserem JP-Paten, Herrn Baumgärtner, die Holzbläserregisterprobe haben, sagt der nochmal andere Dinge, als wir sie in unseren regulären Proben behandeln. Man nimmt dann insgesamt mehr mit, weil man mehrere Perspektiven von unterschiedlichen Personen bekommen hat.“

 „Insgesamt ist der Entwicklungsprozess doch derselbe, bloß befinden wir uns auf unterschiedlichem Niveau und Erfahrung, aber wir haben doch die gleiche Grundaufgabe.“

Weronika Tadzik,Violinstin in der Jenaer Philharmonie

JSO-Leiterin Ulrike Zinke und ihre Kollegin Katharina Hoffmann beobachten diese frischen Verbindungen und deren Auswirkungen auf das Jugendorchester, aber auch einen frischen Wind im Instrumentalunterricht mit ihren Musikpädagog:innen mit Begeisterung: „Das Ziel war von Anfang an, zwischen den Jugendlichen und den Paten eine persönliche Bindung entstehen zu lassen. Zum einen lernen die Schülerinnen und Schüler durch die Persönlichkeit der Paten deren Einstellung zum Musikerberuf. Auch künstlerisch waren die Proben wirklich gut und haben zu einer Verbesserung vor allem auch der Motivation geführt.

Das Besondere während dieses Vorbereitungsprozesses ist für die beiden MKS-Lehrerinnen die spürbare Wertschätzung zwischen Pat:innen und Jugendlichen, die tiefen Eindrücke auf das JSO und das musikalische Fruchten der Zusammenarbeit.

„Die Jenaer Philharmonie ist ja kein Ausstellungsobjekt hinter einer Glaswand – da findet pausenlos ein musikalischer Brückenbau in andere Welten statt.“

Beate Bachmann, Musikvermittlerin der Jenaer Philharmonie

Dann, es ist bereits Anfang Februar, steht eine besonders spannende Probe an: der Gastdirigent für tutti pro, Tobias Engeli, Kapellmeister an der Musikalischen Komödie und Oper Leipzig, besucht die Musik- und Kunstschule Jena und geht direkt an die Arbeit mit dem JSO. Hier gilt es, ein gemeinsames Gespür füreinander zu entwickeln, Potential und Baustellen zu eruieren und Impulse für die Klangentwicklung zu generieren. Man spürt die anfängliche Anspannung im JSO. Man merkt aber auch schnell, dass Tobias Engeli wohlwollend und mit viel Feingespür an die Jugendlichen herantritt. Das Musikschulorchester entspannt sich, die Konzentration bleibt.

Ulrike Zinke ist hochmotiviert: „Nun geht es in die zweite Phase der Patenschaft, also gemeinsam am Pult zu musizieren, im Volkshaus Jena, der Spielstätte der JP. Das ist für die Jugendlichen eine große Herausforderung, die sie motiviert hat, besonders intensiv zu üben, sich musikalisch zu verbessern. Sie haben nun die Möglichkeit, direkt mit und von den Profis zu lernen, wie wird im Profialltag geprobt, wie agiert ein Dirigent, wie ist das Miteinander. Da werden sie in den Proben mit großen Ohren und Augen alles aufnehmen. Auch der Gedanke der Jugendlichen und der Wunsch, dass die Profis sie nun in ‚Ihre Welt‘ mit hineinnehmen, wird ab der ersten Tutti-Probe Realität“. Ulrike Zinke, Orchesterleiterin des JSO

„Ich will einfach alles aufsaugen, alles Mögliche mitnehmen, was der Musiker am Pult neben mir da machen würde.“

Till, Oboist im Jugendsinfonieorchester der Musik- und Kunstschule Jena

Wie fühlen sich die jungen Musiker:innen aus dem JSO?

Ich muss sagen, ich hab ’n bisschen Bammel. Ich fühle mich schon relativ sicher in den Stücken, das ist nicht das Problem, aber da sitzt dann jemand neben mir, der spielt viel besser, der hat viel mehr Ahnung davon als ich. Ich mach mir dann schon mehr Gedanken darüber, wie ich spiele. Aber ich freu‘ mich auch drauf!“ Till, Oboist im Jugendsinfonieorchester der Musik- und Kunstschule Jena.

Bei Anna aus den zweiten Violinen des JSO überwiegt die freudige Erwartungshaltung: „Ich freu‘ mich total drauf, weil ich schon immer wissen wollte, wie ein Profimusiker mit der Proben- und Konzertsituation umgeht oder die Stücke interpretiert, und da ist es einfach mal schön, jemanden neben sich sitzen zu haben, der das vielleicht nochmal anders fühlt.“

Alexander Wegelin, Cellist der Jenaer Philharmonie, bestätigt diese Vorfreude: „Wir waren ja auch einmal in einer Art Jugendsinfonieorchester in unseren Heimaten, wir verstehen total gut, wie aufregend so ein Ersterlebnis auf der großen Bühne ist. Und ein paar der Kinder aus dem JSO sind Kinder aus dem Kollegenkreis der JP. Diese Kinder kennen wir seit sie ganz klein sind und sehen sie jetzt auf einmal als Teenager mit ihrem Instrument bei ihren Eltern auf der Volkshausbühne, das ist doch großartig!“


„Mir gefällt der Gedanke, dass wir bei tutti pro über Institutsgrenzen hinaus und unabhängig vom Status eine gemeinsame Musiker:innenfamilie im Geiste sind.“

Beate Bachmann, Musikvermittlerin der Jenaer Philharmonie

Die erste gemeinsame Probe findet im Volkshaus statt. Das JSO ist mehr als pünktlich und sucht sich seinen Weg durch die Räume des Jenaer Volkshauses. Die Instrumente werden ausgepackt, der neue Sitzplatz auf der Bühne entdeckt. Man sieht deutliches Aufleuchten in den Gesichtern, wenn Schüler:innen auf ihre Pat:innen treffen. Die wiederum bemühen sich um das JSO, weisen Plätze an, helfen mit den Instrumenten und zeigen klar und gerne: Willkommen, wie schön, dass ihr da seid.

Die Probe beginnt, Herr Engeli tritt ans Dirigentenpult, begrüßt alle herzlich, und schon geht es los mit der ersten Probe im Tutti. Bei den Streichern sitzen jeweils Profi und Jugendliche zu zweit am Pult. Bei den Bläsern ist es ein professioneller Musiker pro Stimmgruppe, der noch dazu in dieser Probe mit einteilt, welche Solostellen von den Schüler:innen oder vom Profi gespielt werden sollen.

„Die innere Einstellung entwickelt sich von ,Das ist euer Konzert.´ zu ,Nein, das ist unser gemeinsames Konzert!´“

Weronika Tadzik,Violinstin in der Jenaer Philharmonie

Der Dirigent gibt immer wieder Gelegenheit für interne Absprachen untereinander am Pult oder innerhalb der Stimmgruppen. Ein paar Lehrkräfte aus der MKS beobachten die Probe, fühlen mit ihren Schüler:innen und ermutigen während der Pause: „Spielt ruhig, traut euch, das wird gut!“ Tobias Engeli zeigt sich auch zufrieden, jetzt weiß man, was in den kommenden Proben noch zu bearbeiten ist, denn jetzt geht es zielgerichtet aufs Konzert zu.

Katharina Hoffmann schwärmt von den offenliegenden Chancen für ihre Schüler:innen: dem Schritt aus der passiven Zuschauerrolle in eine aktive Mitspielerrolle, der Genuss der Teilhabe und Mitwirkung an einem professionellen Klangkörper, die Sensibilisierung für musikalische Feinheiten und dem Umgang mit einem höheren künstlerischen Anspruch.

In der Jenaer Philharmonie gibt es da einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung, von dem die Jugendlichen jetzt profitieren können: „Das Zusammenspiel und die richtige Intonation ist bei der JP schon ab der ersten Probe da. Alle spielen ihre Stimme gut. Dann geht’s in der musikalischen Arbeit um die Ausgewogenheit der Stimmen und die Interpretation des Dirigenten und Detailarbeit. Manchmal, wenn es in der Probe bei uns musikalisch auseinander geht, haben die Musikerinnen und Musiker untereinander die Situation schnell im Griff, bevor der Dirigent etwas sagen muss. Man hört, oh, da stimmt was nicht, und alle retten gemeinsam die Lage, ohne ein Wort zu sagen.“ Weronika Tadzik, Violinstin in der Jenaer Philharmonie

„Egal, wie man miteinander verbunden ist, wir sind alle Profis, und auf der Bühne spielt dann außer der Musik nichts eine Rolle.“

Alexander Wegelin, Cellist der Jenaer Philharmonie

Für JP und JSO steht nun ein ereignisreicher Probensamstag mit Haupt- und Generalprobe an, und Sonntag – endlich – das gemeinsame Konzert. Die musikalische Weltenverbindung aus Jenaer Philharmonie und Jugendsinfonieorchester präsentiert ein abwechslungsreiches und gefühlvolles Konzertprogramm.

tutti pro: alle wie Profis! Die Jenaer Philharmonie und das Jugendsinfonieorchester der Musik- und Kunstschule Jena laden herzlich zum Konzert tutti pro am 23.02.2025, um 15:00 Uhr im Volkshaus Jena. Alle Beteiligten freuen sich auf zahlreiche Gäste, die erleben wollen, was alles möglich, wenn man bereit ist, über die eigenen Grenzen hinaus zu musizieren.

„Es macht Spaß und ist gleichzeitig auch ein bisschen verrückt, weil es in diesem Miteinander eine ganz andere Energie ist.“ Weronika Tadzik, Violinistin in der Jenaer Philharmonie

Noch sind Tickets verfügbar, das Programm dauert 1,5 Stunden. 🙂

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