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Mitarbeiter:innen vorgestellt | Heute: Katja Müller, die Frau hinter der neuen Bücherei

Katja Müller, Leiterin der Ernst-Abbe-Bücherei Jena, im Portrait, eine lachende selbstbewusste Frau

Wer die neue Ernst-Abbe-Bücherei Jena (EAB) betritt, spürt sofort: Hier geht es um mehr als nur um Bücher. Es ist ein Ort des Wissens, der Begegnung, der Inspiration, der Aufenthaltsqualität, der Offenheit – mitten in Jena und für alle Generationen. An der Spitze dieser modernen Stadtbibliothek steht seit vielen Jahren Katja Müller. Mit ganz viel Engagement und Herzblut, strategischem Blick und feinem Gespür leitet sie die Geschicke der EAB und gestaltet mit ihrem Team und einigen Partner:innen die Transformation von der klassischen Bibliothek hin zum modernen und zukunftsorientierten sogenannten „Dritten Ort“.

Die EAB haben wir in vielen Beiträgen und Videos bereits vorgestellt. Heute soll es mehr um sie und ihren Blick auf die Jenaer Stadtbibliothek gehen: Katja Müller. Wir befragten die Leiterin der Ernst-Abbe-Bücherei Jena über ihre Herausforderungen, die neuen Aufgaben, gesellschaftliche Teilhabe, Digitalisierung – und darüber, warum die Bibliothek für viele Menschen in Jena soetwas wie ein zweites Zuhause geworden ist.

Liebe Katja,

wir wissen, Du stehst nicht so gern im Mittelpunkt. Umso mehr freuen wir uns, Dich heute hier vorstellen zu dürfen!

Erzähl uns bitte ein wenig über Dich: Was ist Dein beruflicher Hintergrund, und was hat Dich eigentlich zur Ernst-Abbe-Bücherei geführt? Wie hat sich Deine Arbeit im Laufe der Jahre verändert?

Als leidenschaftliche Leserin in der Kinderbibliothek stand schon ganz früh fest, dass Bibliothekarin mein Traumberuf ist. Ich habe als Ferienschülerin der EAB gearbeitet, habe eine Ausbildung als Bibliotheksfacharbeiter an der Jenaer Universitätsbibliothek gemacht und dann in Leipzig studiert. Mein beruflicher Werdegang ist (bibliothekarisch) vielseitig: ich habe als Kinderbibliothekarin gearbeitet, in der ThULB katalogisiert und war viele Jahre in einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek, davon einige als Leiterin, angestellt. Aber mein Herz schlägt für die turbulente öffentliche Bibliothek. So war ich sehr glücklich, dass ich 2012 in der EAB Jena anfangen konnte. Ich habe im Lektorat gearbeitet und die täglichen Ausleihdienste genossen. Mit dem Ruhestand von Annette Kasper und der Übernahme der Bibliotheksleitung hat sich noch alles geändert. Ohne die Unterstützung meines Teams hätte ich das nicht stemmen können, zumal zeitgleich die Möglichkeit eines Neubaus für die EAB konkrete Form annahm. Aber was für eine einmalige Gelegenheit, einen Bibliotheksbau aktiv mitzugestalten!

Hausübergabe der neuen EAB am Engelplatz am 22. März 2024
Hausübergabe der neuen EAB am Engelplatz am 22. März 2024 © JenaKultur, C. Worsch

Die letzten Jahre, man muss sagen, das letzte Jahrzehnt, waren für Euch in der EAB geprägt von Veränderungen: Viele Pläne, Umzüge, eine Großbaustelle, Neukonzeptionen, Umstrukturierungen usw. – mit dem Ergebnis, was wir heute alle sehen und worüber wir uns in Jena noch immer täglich freuen: Der Neubau der EAB Jena im Herzen von Jena, direkt am Engelplatz und in direkter Nachbarschaft zur Kulturarena, dem Volksbad und dem ProbierLaden der vhs Jena. Was macht die Ernst-Abbe-Bücherei Jena für Dich zu einem besonderen Ort in der Stadt?

Die EAB ist schon historisch gesehen eine ganz besondere Einrichtung. Allein die Gründungsgeschichte ist spannend. Die Lesehalle wurde 1896 aus bürgerschaftlichem Engagement heraus, unter Federführung bedeutender Persönlichkeiten wie Ernst Abbe und Eduard Rosenthal, gegründet. Die neu errichtete Lesehalle im Volkshaus Jena war zu ihrer Zeit beispielgebend. Geblieben ist seit der Gründung die feste Verwurzelung der Bibliothek in der Stadtgesellschaft, und dass sie immer Vorreiter in der Umsetzung technischer und gesellschaftlicher Entwicklungen ist. 

Die neue Bibliothek wäre nicht dieselbe ohne ihre Geschichte. Deshalb ist dort auch ein Zeitstrahl zu sehen, der die Highlights der Entwicklung zeigt – bei Führungen muss ich immer aufpassen, dass ich mich nicht in den Anekdoten verliere.

Zeitstrahl der Gesichte der EAB Jena im neuen Gebäude am Engelplatz
Zeitstrahl zur Geschichte der EAB Jena © JenaKultur, C. Worsch

Mit dem neuen Haus am Engelplatz bekam die Bibliothek den zweiten Neubau in ihrer Geschichte und damit die Chance, sich den großen gesellschaftlichen Themen zu stellen: Digitalität, Nachhaltigkeit und Inklusion.

Mit Beginn der Planungen 2016 haben wir die Zeit genutzt, ein neues Konzept und ein Leitbild zu erarbeiten, die Bibliothek organisatorisch neu aufzustellen, die Arbeitsprozesse anzupassen, neue Bibliothekstechnik und Managementsoftware einzuführen. Die Zugehörigkeit zum Eigenbetrieb JenaKultur hat es möglich gemacht, dass wir als Nutzer des neuen Hauses im Planungsprozess so aktiv mitgestalten konnten und die Möglichkeit bekamen, das Konzept umzusetzen.

Bitte erzähle uns mehr über das neue Konzept. Was erwartet die zahlreichen kleinen und großen Besucher:innen in der heutigen Ernst-Abbe-Bücherei Jena?

Die größte Veränderung, die auch sofort auffällt, ist die, dass die Medien nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Wir haben mit 3.800 qm Fläche genau doppelt so viel Platz wie im Volkshaus, die Anzahl der analogen Medien (ca. 130.000) ist aber nicht gewachsen. Natürlich ist die Medienausleihe das Kerngeschäft oder besser das Alleinstellungsmerkmal von Bibliotheken. Aber wozu dann so viel mehr Fläche?

Jetzt geht es auch darum, dass die Menschen Platz finden – zum Lesen, Treffen, Arbeiten, Quatschen…

U. a. aufgrund zunehmender Kommerzialisierung öffentlichen Raums und Verknappnung von Wohnraum fehlen in den Städten öffentliche Orte. Die Thematik der sogenannten fehlenden Dritten Orte kann man seit Jahren in den Medien verfolgen. So ist auch die Bedeutung der Bibliothek als Ort gewachsen. Bibliotheken sind die letzten wirklich konsumfreien öffentlichen Orte. Sie sind öffentliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität, fungieren als Treffpunkte, als Begegnungsorte, die menschlichen Zusammenhalt bieten und zu einer offenen, transparenten Gesellschaft beitragen. Sobald man das Haus betritt, findet man ein gutes Beispiel dafür: der Zeitschriftensalon ist ein behaglicher Ort mit ganz vielen verschiedenen Sitzmöbeln, die zum Verweilen einladen. Dort kann man die Tageszeitungen lesen – analog wie digital – in Zeitschriften schmökern oder ein Brettspiel ausprobieren. Das alles ist ohne Bibliotheksausweis nutzbar (der ist nur für die Ausleihe wichtig). Ein ganz lebendiger Ort ist entstanden, den die Jenaer Stadtgesellschaft angenommen hat. 

Zeitschriftensalon im EG der EAB Jena
Zeitschriftensalon im EG der EAB Jena © JenaKultur, C. Worsch

Welche Zielgruppen spricht die EAB Jena besonders an – und wie gelingt es Euch, auch neue Nutzer:innen für die Bibliothek zu gewinnen?

Die Besonderheit öffentlicher Bibliotheken ist, dass sie für alle da sind. Das macht es nicht unbedingt leicht.

Wir arbeiten seit Jahren mit Kitas, Tagesmüttern und Schulen zusammen. Für Familien ist die Bibliothek als wirklich beliebter Ort etabliert.

Durch die vielen Möglichkeiten, die es jetzt bei uns für die Durchführung von Veranstaltungen gibt, haben wir Kontakte zu Vereinen und Einrichtungen bekommen, die uns ganz neu wahrnehmen. Dadurch sind völlig neue Formate möglich.

Auch haben wir Gäste, besonderes bei den beliebten Hausführungen, die wegen der Architektur kommen oder neugierig sind, wie das Haus von innen aussieht, aber ohne Bezug zur Bibliothek zu haben. Wenn die dann die Bibliothek für sich entdecken, ist das unglaublich schön.

Dann gibt es Menschen, die die Bibliothek bisher nicht nutzen konnten, weil sie  z. B. nicht mit dem Rollstuhl zugänglich war. Jetzt ist das Haus nahezu barrierefrei und damit auch nutzbar für Menschen mit Beeinträchtigungen.

Im Konzept haben wir eine Zielgruppe „EAB plus“ definiert, damit sind Menschen gemeint, die gewisse Berührungsängste mit Bibliotheken haben oder Menschen, die besondere Betreuung und Fürsorge brauchen. So ist die Bibliothek demenzsensible Einrichtung und hat Kontakte zur Altenpflege und Seniorenarbeit aufgebaut. Wir arbeiten z. B. auch mit der psychiatrischen Tagesklinik zusammen.

Spannend! Wie hat sich denn die Rolle der öffentlichen Bibliotheken in den letzten Jahren verändert – gerade im Zeitalter von digitalen Medien und KI? Welche Bedeutung hat die EAB für die kulturelle und soziale Teilhabe in Jena?

Ich habe im Zusammenhang mit den Neubauplänen oft die Frage bekommen, ob es im Zeitalter digitaler Medien überhaupt einen Neubau braucht. Über die Bedeutung der Bibliothek als Begegnungsort haben wir schon gesprochen. Ich bin davon überzeugt, dass digitale Medien und analoge Medien, gedruckte Bücher z. B., parallel bestehen bleiben. Beide Formen haben ihre Vor- und Nachteile. Zum Beispiel sind die größenverstellbare Schrift im E-Book und die Durchsuchbarkeit digitaler Texte von großem Vorteil. Vielleser werden auch die E-Reader im Koffer lieben. Aber ich glaube, ein tiefes Lesen, ein Versinken im Text funktioniert bei gedruckten Texten besser.

Digitale Medien gehören inzwischen zum Grundbestand der Bibliothek. Wir bieten seit Jahren E-Books und digitale Hörbücher über die Onleihe an. Inzwischen haben wir für alle Medienarten auch ein digitales Angebot: z. B. Filmfriend (ein Streamingportal für hochwertige Filme), Tigerbooks für Kinderbücher, Pressreader (digitale Zeitungen und Publikumszeitschriften), Genios (Rechercheportal für Zeitungsartikel), Brockhaus (Schülertrainings und Lexikon).

Um Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen, bieten wir auch die entsprechende Technik dafür an: ausleihbare Tablets und Laptops (Nutzung nur innerhalb der EAB), E-Reader (4 Wochen entleihbar), aber auch PC und Drucker (nutzbar ohne Bibliotheksausweis).

Wir unterstützen spielendes Lernen durch entsprechende Angebote in unserer Werkstatt. Dort gibt es Angebote zum Experimentieren und Tüfteln im MINT-Bereich, aber auch die unterschiedlichsten Bastel- und Upcyclingangebote. Zum Beispiel kann man bei uns Lernen, wie man ein Buch foliert. Vielleicht zum Schuljahresbeginn gar nicht so unnütz…

Werkstatt der EAB Jena
Werkstatt der EAB Jena © JenaKultur, C. Worsch

Unsere Medienpädagogen thematisieren in ihren Programmangeboten natürlich den Umgang mit Fake News, das Erkennen von zuverlässigen Quellen und Nutzen und Risiken beim Einsatz von KI-Chatbots.  Der nächste Schritt beim Einsatz von KI in Bibliotheken kann die Nutzung von Chatbots in Verknüpfung mit dem Bibliothekskatalog sein – wie in Berlin beim VÖBB schon im Probebetrieb. Das wird spannend.

Mit welchen Partner:innen & Vereinen arbeitet die EAB zusammen – innerhalb von JenaKultur, klar, aber darüber hinaus? Wie gelingt es, trotz begrenzter Mittel ein so vielfältiges Angebot aufrechtzuerhalten?

Die Bibliothek ist innerhalb der Stadt gut vernetzt. Fester Partner in der Literaturvermittlung ist der Lesezeichen e. V. Im MINT-Bereich arbeiten wir mit Witelo zusammen, in der Kinder- und Jugendarbeit mit Polaris, im Bereich der Sprachförderung mit der Kindersprachbrücke. Das sind alles nur Beispiele. Nur durch diese Vernetzung und Kooperationen ist die Bibliothek so fest in der Stadt verankert, und nur so können wir solch ein buntes Programm bieten.

Wow! Und damit nicht genug: Euer gesamtes Angebot und selbst viele Eurer Veranstaltungen für Kinder & Jugendliche sind kostenfrei und für Erwachsene zumindest sehr günstig? Wie geht das?

Wir konzipieren sehr viele eigene Veranstaltungsangebote und führen sie auch selbst durch. Das geht nur, indem sich die Mitarbeitenden ständig fortbilden. Das Team der Medienpädagogen hat z. B. gelernt, die Lernroboter zu bedienen. Aber es war eine große Herausforderung, unseren humanoiden Roboter NaoMe zu programmieren. Es ist gelungen!

Nao, der humanoide Roboter
Nao, wohnt in der EAB © EAB Jena

Natürlich ist es sehr abhängig vom Budget, welche Autor:innen wir einladen können. Aber auch in diesem Jahr können sich alle auf ein großartiges Programm zum 30. Lesemarathon freuen. Mein Highlight ist übrigens Anne Sauer. Wie haben wir uns über die Zusage gefreut!

Welche Projekte oder Veränderungen stehen aktuell oder in naher Zukunft an?
Obwohl ich uns allen ein wenig Verschnaufpause gegönnt hätte, planen wir schon das nächste Riesenprojekt. Die Stadtteilbibliothek Lobeda ist von der Ausstattung her nicht nur in die Jahre gekommen, sie bietet sehr wenig Platz für Veranstaltungen, und von Aufenthaltsqualität kann keine Rede sein. Der Bedarf ist in dem großen Wohngebiet dafür definitiv da. So ist die Entwicklung der Lobedaer Bibliothek zu einem zeitgemäßen Begegnungsort Ziel der Kulturkonzeption.

Und natürlich darf diese Frage hier nicht fehlen: Hast Du ein Lieblingsbuch – und einen aktuellen Lesetipp für unsere Leser:innen?

Ich lese so viel, ich habe kein Lieblingsbuch. Es gibt Verlage, die Garant für tolle Bücher sind: „Diogenes“ und „Kein & Aber“ zum Beispiel. Daniela Krien ist eine Autorin, die ich sehr schätze. Die Bücher von John Irving, besonders die früheren, liebe ich sehr. 

Ich stelle monatlich im Radio OKJ in der „Bücherstunde“ drei Bücher vor, mein Mitstreiter Ralf Kutke zwei Hörbücher. Wir empfehlen nur schöne Bücher, die es sich zu lesen/hören lohnt.

Gerade lese ich Julia Engelmann „Himmel ohne Ende.“

Wir danken Katja Müller herzlich für das Gespräch und freuen uns, Sie liebe Leser:innen in der Ernst-Abbe-Bücherei Jena begrüßen zu dürfen. Haben Sie Fragen an Katja Müller? Dann immer her damit!

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