Um Themen wie „Sind Straßenausbaubeiträge gerecht?“, „Wie sollen die Thüringer Kommunen den wegfallenden Eigenanteil der Bürger finanziell ausgleichen können?“ oder „Was ist mit bereits gezahlten Beiträgen?“ geht es heute Abend ab 22.05 Uhr im MDR-Fernsehen in der Sendung „Fakt ist! Aus Erfurt“. Hierüber und über andere Fragen rund um die Beitragserhebung im Freistaat diskutieren die MDR-Moderatoren mit betroffenen Bürgern, engagierten Bürgerinitiativen, einem Gutachter und verantwortlichen Politikern.
Seit 1991 in § 7 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes verankert legte die rot-rot-grüne Landesregierung 2014 im Koalitionsvertrag zwar die Abschaffung der Beiträge für den Straßenausbau fest, jedoch beschloss sie 2016 erst einmal einen Kompromiss. Dieser räumte und räumt den Kommunen im Freistaat die eigene Entscheidung ein, ob diese die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge erheben wollen oder nicht. Der Verzicht ist jedoch an zahlreiche Auflagen gebunden, wobei derzeit in aller Regel nur „reiche“ Städte und Gemeinden die Voraussetzungen erfüllen können.
Am Ende entstand eine „Zwei-Klassen-Realität“, wie der vom Gemeinde- und Städtebund beauftragte Gutachter Prof. Dr. Michael Quaas befand und zum Urteil kam, dass die bisherige Gesetzesänderung der Thüringer Regierung verfassungswidrig sei. Darüber freut sich u.a. Wolfgang Kleindienst als Landesvorsitzenden des Vereins Bürgerallianz Thüringen gegen überhöhte Kommunalabgaben. Für ihn und seine Mitstreiter ist die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge längst überfällig und wurde dem Verein vom Kommunalexperten der Partei DIE LINKE, Frank Kuschel – selbst Vereinsmitglied-, auch bereits für diesen Herbst versprochen.
Das wiederum relativiert der Koalitionspartner von der SPD, deren Landesvorsitzender Wolfgang Tiefensee davon sprach, dass eine solche Regelung trotz der gut gefüllten Kassen der Landesregierung frühestens 2020 wirksam werden könnte. Intern geht man von einer Viertelmilliarde Euro aus, die der Freistaat den Kommunen nach der Gesetzesänderung zu erstatten hätte und die dann woanders fehle. Aus dem gleichen Grund schließt Tiefensee zudem bisher die Rückzahlung von seit 1991 entrichteten Straßenausbaubeiträgen aus.
Außerdem fordert der Landesverband der Deutschen Grundstücksnutzer: solange kein neues Gesetz die Rechtsgrundlage schaffe, müsse ein Moratorium erreichen, dass erst einmal keine Bescheide über Abgaben verschickt werden dürften. – Viel Diskussionsstoff heute Abend im MDR.
Hinweis: Wer die Sendung versäumt hat, kann sie HIER in der MDR-Mediathek noch einmal ansehen!
Vielen Dank für den Hinweis auf die Fernsehsendung, die wir mit Interesse verfolgt haben. Mehrfach kam dort der Hinweis auf „Gerechtigkeit“. Trotzdem sagte die Dame von der SPD, daß es für alle, die bisher Beiträge bezahlt haben, kein Geld zurück geben würde.
Meine Frage: Mein Mann und ich haben vor drei Jahren in der Humboldtstraße Straßenbaubeiträge gezahlt. Wenn zukünftig die Erfurter Straße als Verlängerung unserer Straße gemacht wird und dort niemand etwas zu bezahlen hätte, wir aber von der Stadt oder dem Land unser Geld nicht zurück bekommen würden, da wäre das höchst ungerecht und einer Landesregierung, die ein Gesetz ändert um Unrecht zu beseitigen, nicht würdig .
Sehr geehrte Frau Schmied,
die von Ihnen aufgeworfene Frage ist tatsächlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht ganz einfach zu beantworten. Die Stadt Jena / der Kommunalservice Jena hat kein Problem damit, den von Ihnen und Ihrem Mann entrichteten Beitrag zurückzuzahlen (das gilt natürlich auch für alle anderen Straßenbaubeitragspflichtigen in unserer Stadt), sofern dieses Geld der Stadt vom Freistaat erstattet wird.
Vor einiger Zeit haben wir im Auftrag des Jenaer Stadtrats ausgerechnet, wie viel Geld das wäre. Es sind insgesamt etwas über 13 Mio. Euro, die wir zwischen 1991 und 2017 eingenommen haben.
Aus eigenen finanziellen Möglichkeiten kann die Stadt dies ihren Beitragspflichtigen nicht erstatten. Zum einen fehlt eine entsprechende Haushaltspositionen im Wirtschaftsplan des Kommunalservice Jena und zum anderen haben wir die eingenommenen Gelder immer zweckgebunden sofort zum Straßenbau wieder ausgegeben.
Wenn es also zu einer Rückerstattung kommen sollte, dann müsste der Freistaat der Stadt Jena diese maximal 13 Mio. Euro zur Verfügung stellen, damit wir sie zurück erstatten können. Allerdings werde ich Ihre Anregung gerne in die nächste Woche mitnehmen, wenn wir als Kommunalservice an der Podiumsdiskussion der Partei Die Linke in Jena zum Thema der Abschaffung der Straßenbau Beiträge teilnehmen werden.
Zum Thema der Erfurter Straße darf ich Ihnen soviel sagen: Auch in dieser Straße werden Straßenbaubeiträge zu entrichten sein, selbst wenn die Beitragserhebung per Gesetz abgeschafft werden sollte. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass in der Erfurter Straße vor etwa zehn Jahren umfangreiche Straßenausbaumaßnahmen stattgefunden haben, für die die Anlieger der Erfurter Straße beitragspflichtig sind. Der Kommunalservice Jena beabsichtigt hier in den nächsten Monaten zumindest eine Vorausleistung zu erheben, wenngleich noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen sind.
Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer W. Sauer
Leiter der Abteilung Beiträge im KSJ
Geht‘s noch? Sie hätten vor zehn Jahren, als die Erfurter Straße gebaut wurden, oder meinetwegen vor sechs Jahren spätestens, ihre Beiträge erheben können. Jetzt ist alles verjährt. Aber das hindert ja niemanden in der Stadtverwaltung daran, den Bürgern kurz vor der Änderung des Gesetzes noch ihr gutes Geld aus der Tasche zu ziehen.
Kann man nur hoffen, dass der Jenaer Stadtrat dem ganzen Unsinn einen Riegel vorschiebt.
Liebe/r Nutzer/in,
Ihr Statement möchte ich hier nicht unkommentiert lassen.
Sie schreiben 1.) „Jetzt ist alles verjährt.“ – Nun, verjähren kann nur, was zuvor rechtmäßig entstanden war. Der Abschluss von Bauarbeiten startet noch keinen Verjährungszeitraum. Bei der Erfurter Straße wurden die Arbeiten an der Fahrbahn (= Bundestraße) in einem ersten Bauabschnitt bis in etwa zur Hautklinik geführt. Der sich anschließende zweite Bauabschnitt soll bis 2025 durchgeführt werden. Abgeschlossen sind die Herstellungsarbeiten am Rad-/Gehweg und der Straßenbeleuchtung. Ohne einen Beschluss zur sog. Kostenspaltung gibt es auch hier keine Verjährung.
2.) schreiben Sie „Aber das hindert ja niemanden in der Stadtverwaltung daran, den Bürgern kurz vor der Änderung des Gesetzes noch ihr gutes Geld aus der Tasche zu ziehen.“ – Gut erkannt. Denn selbst wenn das Gesetz durch die Landesregierung geändert wird, erstreckt es sich nur in die Zukunft und kann bereits durchgeführte beitragspflichtige Straßenbauarbeiten nicht ungeschehen machen. Solche Herstellungsarbeiten sind und bleiben beitragspflichtig und müssen von den Anliegern nach der Gesetzeslage anteilig mitfinanziert werden.
Abschließend meinen Sie noch „Kann man nur hoffen, dass der Jenaer Stadtrat dem ganzen Unsinn einen Riegel vorschiebt.“ – Das wäre, schlicht ausgedrückt, Beitragshinterziehung und a) nach Art. 3 Grundgesetz ungerecht gegenüber allen Menschen in Jena, die seit 1992 ihre Beiträge (in Raten oder einer Summe) zahlen mussten sowie b) schlichtweg nicht zulässig, da das Landesgesetz über der Entscheidung eines städtischen Entscheidungsträgers steht.
Deswegen werden wir in der Erfurter Straße eine Vorausleistung (= einen Teil der bisher von der Stadt Jena geleisteten Zahlungen abzüglich des Nicht-Anliegeranteils) erheben. Dies ist kein „Unsinn“ sondern unsere gesetzliche Pflicht.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Sauer
Leiter der Abteilung Beiträge im KSJ