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4. Trägt eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags zu einer Befriedung in der Bevölkerung einer Gemeinde bei?
1. Die Abschaffung des Straßenbaubeitrags kann ausschließlich zu einem bestimmten Stichtag erfolgen, selbst wenn dieser Stichtag rückwirkend festgelegt wird. Jede Stichtagslösung begründet zwangsläufig eine sozusagen Zwei-Klassen-Gesellschaft, nämlich bei Straßenbaubeiträgen eine Gruppe von Grundeigentümern, die für den beitragsfähigen Ausbau „ihrer“ Straße noch Straßenbaubeiträge bezahlen mussten, und eine andere Gruppe, deren Mitglieder von einer derartigen Belastung befreit sind. In Bayern beispielsweise hat der Gesetzgeber in Art. 19 Abs. 7 KAG bestimmt, Straßenbaubeiträge nach den bis dahin geltenden gesetzlichen Bestimmungen hätten nur noch diejenigen Grundeigentümer zu zahlen, denen ein Beitragsbescheid bis zum 31. Dezember 2017 bekannt gegeben worden ist; später bekannt gegebene Beitragsbescheide seien hingegen aufzuheben. Das kann dazu führen, dass die Grundeigentümer, denen in den letzten Tagen des Jahres 2017 ein Beitragsbescheid bekannt gegeben worden ist, noch Straßenbaubeiträge für einen beitragsfähigen Ausbau „ihrer“ Ortsstraße bezahlen müssen, während Eigentümer von an die gleiche Ortstraße angrenzenden Grundstücken, denen – aus welchen (Zufälligkeits)Gründen auch immer — eine solcher Bescheid erst in den ersten Tagen des Jahres 2018 bekannt gegeben worden ist, von einer solchen Bezahlung befreit sind. Es kann bezweifelt werden, ob in solchen und ähnlichen Konstellationen den Grundeigentümern, die noch einen Straßenbaubeitrag erbringen müssen, ein derartiges Ergebnis überzeugend verständlich gemacht werden kann, und vor allem ob es zur Befriedung in der Bevölkerung der Gemeinde beiträgt.
2. Eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags und eine Schließung dadurch bei einer Gemeinde auftretender Finanzierungslücken durch die Einnahmen aus einer Erhöhung der Grundsteuer führt erstmals zu einer Einbeziehung von Mietern in den Kreis derjenigen, die unmittelbar Kosten für eine beitragsfähige Sanierung von Gemeindestraßen zu tragen haben. Ob diese Folge sachlich gerechtfertigt und vor allem sozial verträglich ist, dürfte sehr fraglich sein; jedenfalls in einer Gemeinde mit vielen Mietern dürfte sie schwerlich zur Befriedung in der Bevölkerung beitragen.
5a. Erste Schlussbetrachtung
Die vorstehenden Ausführungen drängen die Frage auf, ob nicht durch eine intelligentere Lösung ein angemessener Interessenausgleich gefunden werden kann. Gegenüber stehen sich das Interesse der Gemeinde als Vertreterin der (gemeindlichen) Allgemeinheit einschließlich der Mieter am Festhalten an der bisherigen Beitragsfinanzierung durch die jeweiligen Grundeigentümer und deren Interesse an einer Reduzierung der von ihnen zu tragenden Beitragslasten. Zu einem solchen Interessenausgleich könnte sicher beitragen, wenn Länder, die bei einer Abschaffung des Straßenbaubeitrags eine Kompensation in einer bestimmten Höhe zu leisten hätten, diesen Betrag zur Reduzierung des Eigentümeranteils an den für einen beitragsfähigen Ausbau entstehenden Kosten einsetzten, also die Kompensationsmittel in entsprechende Fördermittel „umwidmen“ würden. Denn dadurch würde der von den Eigentümern zu tragende Anteil an den Kosten für einen beitragsfähigen Ausbau nennenswert reduziert, ohne dass die Gemeinde zusätzlich belastet würde.
Eine die Grundeigentümer entlastende Wirkung könnte auch dadurch erreicht werden, dass Förderungen der Länder für den kommunalen Straßenbau in Zukunft nicht auf den Gemeindeanteil bezogen, sondern auf die Gesamtkosten einer beitragsfähigen Maßnahme ausgerichtet werden. Überdies könnten zu einer Entlastung der Grundeigentümer großzügigere Stundungsregelungen und die Begründung eines Rechtsanspruchs führen, den Beitrag unabhängig vom Vorliegen irgendwelcher Billigkeitsgründe in bis zu zwanzig aufeinander folgenden Raten begleichen zu können, und zwar bei einer Verzinsung des jeweiligen Restbetrags zu jährlich höchstens 1 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB. Eine ähnliche Regelung enthält in Hessen bereits § 11 Abs. 12 KAG; sie ist zugleich geeignet, einen Anreiz für eine Entscheidung zugunsten der rechtlich sehr komplizierten und kostenaufwändigen Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge zu beseitigen. Schließlich könnte ein Gesetzgeber für ganz besondere Konstellationen — z.B. für den Fall, dass der Beitrag über dem Verkehrswert des entsprechenden Grundstücks liegt — einen vollständigen Beitragserlass anordnen.
5b. Zweite Schlussbetrachtung
Die vorstehenden Ausführungen drängen die Frage auf, ob nicht durch eine intelligentere Lösung ein angemessener Interessenausgleich gefunden werden kann. Gegenüber stehen sich das Interesse der Gemeinde als Vertreterin der (gemeindlichen) Allgemeinheit einschließlich der Mieter am Festhalten an der bisherigen Beitragsfinanzierung durch die jeweiligen Grundeigentümer und deren Interesse an einer Reduzierung der von ihnen zu tragenden Beitragslasten. Zu einem solchen Interessenausgleich könnte sicher beitragen, wenn Länder, die bei einer Abschaffung des Straßenbaubeitrags eine Kompensation in einer bestimmten Höhe zu leisten hätten, diesen Betrag zur Reduzierung des Eigentümeranteils an den für einen beitragsfähigen Ausbau entstehenden Kosten einsetzten, also die Kompensationsmittel in entsprechende Fördermittel „umwidmen“ würden. Denn dadurch würde der von den Eigentümern zu tragende Anteil an den Kosten für einen beitragsfähigen Ausbau nennenswert reduziert, ohne dass die Gemeinde zusätzlich belastet würde.
Eine die Grundeigentümer entlastende Wirkung könnte auch dadurch erreicht werden, dass Förderungen der Länder für den kommunalen Straßenbau in Zukunft nicht auf den Gemeindeanteil bezogen, sondern auf die Gesamtkosten einer beitragsfähigen Maßnahme ausgerichtet werden. Überdies könnten zu einer Entlastung der Grundeigentümer großzügigere Stundungsregelungen und die Begründung eines Rechtsanspruchs führen, den Beitrag unabhängig vom Vorliegen irgendwelcher Billigkeitsgründe in bis zu zwanzig aufeinander folgenden Raten begleichen zu können, und zwar bei einer Verzinsung des jeweiligen Restbetrags zu jährlich höchstens 1 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB. Eine ähnliche Regelung enthält in Hessen bereits § 11 Abs. 12 KAG; sie ist zugleich geeignet, einen Anreiz für eine Entscheidung zugunsten der rechtlich sehr komplizierten und kostenaufwändigen Wiederkehrenden Straßenbaubeiträge zu beseitigen. Schließlich könnte ein Gesetzgeber für ganz besondere Konstellationen — z.B. für den Fall, dass der Beitrag über dem Verkehrswert des entsprechenden Grundstücks liegt — einen vollständigen Beitragserlass anordnen.
Eine intelligentere Lösung hat vor wenigen Monaten der Gesetzgeber in Hessen und haben zuvor schon die Gesetzgeber in Schleswig-Holstein und Niedersachen gefunden. Sie haben nämlich nicht den Straßenbaubeitrag als solchen, sondern die Pflicht zur Erhebung des Straßenbaubeitrags abgeschafft. Dadurch haben sie nicht nur das Entstehen von durch das Konnexitätsprinzip geforderten Ausgleichszahlungen vermieden, sondern überdies erreicht, dass die einzelnen Gemeinden nach Maßgabe ihrer jeweiligen Finanzsituation selbst darüber entscheiden, ob in ihrem Hoheitsgebiet Straßenbaubeiträge erhoben werden. Zugleich haben sie damit zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung beigetragen.
Hinweis: Der Autor ist Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator sowie freier Mitarbeiter des vhw-Bundesverbandes für Wohnen und Stadtentwicklung e.V.; er war zuvor von 1997 bis 2005 Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht und gilt als führender Experte auf dem Gebiet der Erschließungs- und Straßenbaubeitragserhebung in Deutschland. Den Text hat er diesem Blog der Stadt Jena exklusiv zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt; er darf unter Nennung der Quelle und des Autors kostenfrei weiterverbreitet werden.