BERICHT
Gesetzliche Grundlagen: Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) in der ab dem 30.06.2017 wirksamen Fassung (siehe Gesetz- und Verordnungsblatt Thüringen Nr. 7/2017), Anwendungshinweise für den Bereich des Straßenbaubeitragsrechts (AnwHiSAB)
Behandlung als Session Vorlage 17/1568-BE im: Werkausschuss Kommunalservice Jena (= 22.11.2017), Stadtentwicklungsausschuss des Jenaer Stadtrats (= 07.12.2017)
Thüringer Kommunen können auch nach der Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes (ThürKAG) durch das Inkrafttreten des Achten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes am 30.06.2017 gem. dessen § 7 Abs. 1 Satz 1 die Aufwendungen für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Erneuerung und Verbesserung ihrer öffentlichen Einrichtungen und Anlagen durch einmalige Beiträge decken.
Für die Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt öffentlichen Wegen ist die Beitragserhebung durch die bindende Sollvorschrift in § 7 Abs. 1 Satz 3 ThürKAG zwingend, sofern hierfür nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch (BauGB) zu erheben sind. (vgl. ThürOVG, Urt. v. 11.06.2007, Az.: 4 N 1359/98)
Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte hierzu seit längerem in verschiedenen Entscheidungen (beispielhaft in der vom 31.05.2005 mit dem Az.: 4 KO 1499/04) festgestellt, dass grundsätzlich eine Pflicht zur Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen besteht, von welcher nur in ganz wenigen atypischen Fallgruppen abgewichen werden darf. Auch die diesjährige Gesetzesänderung führt zu keiner anderen Situation.
Bereits seit dem 07.04.2011 wurden und werden im ThürKAG in § 7 Abs. 1 Satz 4 diejenigen Fallgruppen definiert, in denen allein ein Abweichen von der grundsätzlichen Pflicht zur Beitragserhebung möglich ist. Konkret ausgedrückt bedarf es gem. § 7 Abs. 1 Satz 5 ThürKAG eines Beschlusses des jeweiligen Stadt- oder Gemeinderats, wonach wegen des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes von der Beitragserhebungspflicht abzusehen ist. Ein solcher ist als Ausnahmefall zu begründen und der Kommunalaufsicht anzuzeigen. Zudem muss es die hierfür notwendige Begründung der Kommunalaufsicht ermöglichen, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Absehen von der gesetzlichen Beitragspflicht zu prüfen. Im Einzelnen:
I. – Von der Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen darf abgesehen werden, wenn deren Erhebung für die Kommune „zu keinem wesentlichen Vermögenszuwachs“ führen würde. Dies ist entsprechend der sog. Anwendungshinweise für die Aufsichtsbehörden in folgenden Fällen denkbar:
a) Die bei der Beitragserhebung anfallenden Verwaltungskosten würden die zu erzielenden Beitragseinnahmen erreichen oder übersteigen, wobei hierbei allein solche Verwaltungskosten zu berücksichtigen sind, die bei einem Absehen von der Beitragserhebung auch tatsächlich eingespart werden können. Nicht unter den Anwendungsbereich der Regelung fallen solche Beitragserhebungen, bei denen die Verwaltungskosten die zu erzielenden Beitragseinnahmen nur deshalb übersteigen, weil eine Kommune ihren satzungsgemäßen Gemeindeanteil nach dem ThürKAG so festlegt oder festgelegt hat, dass die zu erzielenden Beitragseinnahmen erheblich minimiert werden.
b) Zur Verfügung gestellte Dritt- bzw. Fördermittel decken die Investitionskosten nahezu vollständig ab. Hierbei kann es sich neben öffentlichen Förderungen auch um Mittel Privater handeln; bei der Verwendung von Zuwendungen der öffentlichen Hand ist jedoch der Wille des Zuwendungsgebers maßgebend, also: hat dieser die Mittel (auch) ausgereicht um Anliegeranteile an einem Beitrag nach § 7 ThürKAG zu senken. Für die Bestimmung des Willens des Zuwendungsgebers sind der Zuwendungsbescheid und die zugrunde liegenden Förderbestimmungen des Freistaats Thüringen maßgeblich.
Denkbar sind darüber hinaus auch Fälle, bei denen die Beitragserhebung zu einer Änderung der Finanzierung in Form einer Erhöhung der Deckungsmittel und somit mittelbar zur Rückzahlung von Fördermitteln führen würde. Es ist daher von der Kommune vor einer Entscheidung des Beitragsverzichts verbindlich zu prüfen, ob im Zusammenhang mit Straßenausbaumaßnahmen erlassene Zuwendungsbescheide – einschließlich der zum Bestandteil des Zuwendungsbescheides erklärten Verwaltungsvorschriften – auflösende Bedingungen enthalten sowie auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich des Bedingungseintritts abgestellt wird.
Kommunen sind bei bestehenden Unsicherheiten gehalten, vor einem entsprechenden Beschluss mit dem Zuwendungsgeber abzustimmen, ob die Beitragserhebung Auswirkungen auf die Höhe von gewährten Zuwendungen haben könnte. Das Thüringer Finanzministerium weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass in den Fällen, in denen dem Zuwendungsbescheid eine ausdrückliche oder durch Auslegung zu ermittelnde Zweckbestimmung fehlt, eine Vermutung dafür spricht, dass Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten vorrangig zur Finanzierung des Gemeindeanteils und der nicht beitragsfähigen Aufwendungen verwendet werden sollen.
c) Die beitragsfähigen Maßnahmen haben einen so begrenzten Vorteil für die Anlieger, dass dies eine Beitragserhebung im konkreten Fall als unsinnig erscheinen lässt. Beispielhaft wäre dies bei einem öffentlichen Parkplatz der Fall, der durch Bedienstete, Besucher und Patienten eines anliegenden Krankenhauses stets derart in Anspruch genommen wird, dass für seine Nutzung durch die weiteren Anliegergrundstücke der betreffenden Straße nur noch eine erheblich reduzierte Quantität verbleibt.
Das Absehen von einer Beitragserhebung in Fällen des § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 ThürKAG bedarf jedoch stets einer Prüfung für jede einzelne beitragsfähige Straßenausbaumaßnahme. Das pauschale Absehen einer Kommune von einer Beitragserhebung für einen bestimmten Zeitraum ermöglicht diese Regelung nicht.
II. – Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 ThürKAG kann eine Kommune von einer Beitragserhebung absehen, wenn ihre finanzielle Situation dauerhaft so günstig ist, dass sie ohne Verletzung der Grundsätze zur Einnahmebeschaffung auf eine Beitragserhebung verzichten kann. Dies setzt aber verbindlich voraus, dass sie „die Grundsätze über die kommunale Einnahmebeschaffung in § 54 Abs. 2 und 3 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) eingehalten hat und dennoch auf eine Abgabenerhebung verzichten kann, ohne dass Einbußen an ihrer stetigen Aufgabenerfüllung und Leistungsfähigkeit im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 ThürKO zu befürchten wären.“ (Zitat aus ThürOVG, Urteil vom 31.05.2005, Az.: 4 KO 1499/04). Dies kann insbesondere dann nicht als gegeben angesehen werden, wenn die Kommune ihre Einnahmen zu einem nicht unerheblichen Teil aus der Erhebung kommunaler Steuern erzielt und/oder über laufende Kreditverpflichtungen einschließlich Kassen- beziehungsweise Liquiditätskredite verfügt oder solche plant.
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über das Absehen von der Beitragserhebung darf eine Verschlechterung der Haushaltssituation der Kommune (und somit der Wegfall der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 ThürKAG) nicht absehbar sein. Bei der Entscheidung ist § 53 Abs. 1 Satz 1 ThürKO zu beachten. Danach hat die Kommune ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die Entscheidung über das Absehen von der Beitragserhebung darf daher nicht zu Lasten der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung gehen.
Soweit und solange die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, kann eine Kommune von der Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen absehen. Das weitere Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 ThürKAG ist von der Kommune jedoch regelmäßig zu prüfen. Neben der Prüfung im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung ist auch im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über die Durchführung von beitragsfähigen Straßenausbaumaßnahmen das weitere Vorliegen der Voraussetzungen für einen Beitragsverzicht zu prüfen.
Weitere Informationen folgen in Teil 2 unseres Berichts, den Sie in Kürze hier auf diesem Blog finden. / RS