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Auswirkungen der Änderungen des seit 30.06.2017 gültigen ThürKAG für die Stadt Jena (Teil 2)

Abgebikdet ist das Deckblatt (Ausschnitt) des GVBl Thüringen Nr. 7/2017 des Freistaats Thüringen - Symbolbild

BERICHT (Fortsetzung von Teil 1)

Gesetzliche Grundlagen: Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) in der ab dem 30.06.2017 wirksamen Fassung (siehe Gesetz- und Verordnungsblatt Thüringen Nr. 7/2017), Anwendungshinweise für den Bereich des Straßenbaubeitragsrechts (AnwHiSAB)

Behandlung als Session Vorlage 17/1568-BE im: Werkausschuss Kommunalservice Jena (= 22.11.2017), Stadtentwicklungsausschuss des Jenaer Stadtrats (= 07.12.2017)


 

Gesetzliche Option des neuen ThürKAG zur Erhöhung des Gemeindeanteils

I. – Beitragsmaßstäbe sind „in aller Regel an der Art und dem Maß der zulässigen Grundstücksnutzung orientierte Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, die nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem wirtschaftlichen Vorteil stehen dürfen“, so der Gesetzgeber nach der Änderung des ThürKAG im Juni 2017 zum sog. beitragsrechtlichen Äquivalenzprinzip. Dieses gebietet, dass (wie es bei Straßen, Wegen, Plätzen regelmäßig der Fall ist) Beiträge nur dann zu erheben sind, wenn öffentliche Anlagen nicht nur dem regelmäßigen Vorteil der Allgemeinheit dienen (wie es z. B. bei Ortsverbindungsstraßen oft der Fall ist) sondern auch dem besonderen Vorteil der Beitragspflichtigen.

Zu erklären ist der Rechtsbegriff des „besonderen Vorteils“ nach dem ThürKAG mit einem einfachen Beispiel: der Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger, welcher die Straße XY benutzt um von A nach B zu gelangen, repräsentiert die Allgemeinheit und für sie trägt die Kommune den Gemeindeanteil an den beitragsfähigen Herstellungskosten der öffentlichen Straße. Kommt die Straße XY aber auch anliegenden Grundstückseigentümern zugute, so sind diese mit einem Anliegeranteil an den beitragsfähigen Herstellungskosten zu belegen, denn sie haben über die allgemeine Nutzung „ihrer“ Straße hinaus als Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger auch noch den besonderen Vorteil, dass ihr Grundstück an dieser Straße liegt und in der Regel von ihr erschlossen wird. Angemerkt sei, dass gewerbetreibende Grundstückseigentümer sogar noch einen ergänzenden besonderen Vorteil haben, da sie mit dem Grundstück (und damit mittelbar durch die Straße XY) Geld erwirtschaften.

Im Umkehrschluss geht man im Beitragsrecht davon aus, dass – sofern es die Straße XY nicht gibt oder sie ggf. gesperrt wäre – der allgemeine Autofahrer die Straße nicht benutzen kann, der Grundstückseigentümer 1.) die Straße XY nicht benutzen und 2.) sein Grundstück nicht erreichen kann bzw. der Gewerbetreibende 1.) die Straße nicht benutzen, 2.) sein Grundstück nicht erreichen und außerdem 3.) durch sein Gewerbe kein Geld erwirtschaften kann. Entsprechend sind die Gewichtungen zwischen Gemeindeanteil und Anliegeranteil bzw. satzungsgemäße Gewerbezuschläge zu verstehen.

§ 7 Abs. 4 ThürKAG besagt daher, dass eine kommunale Satzung eine Eigenbeteiligung der Kommune vorzusehen hat, sobald „die Straße neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend der Allgemeinheit zugute kommt“. Diese Eigenbeteiligung muss „die Vorteile der Allgemeinheit angemessen berücksichtigen“, so das Gesetz. Bezüglich der Festlegung dieses Anteils wird Kommunen seit jeher ein bestimmter Ermessensspielraum zugebilligt, da eine sichere Prognose über das Verhältnis der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage durch die Allgemeinheit einerseits und den Grundstückseigentümern andererseits im pauschalen Fall einer Satzungsregelung hinsichtlich der jeweils im Einzelfall abzurechnenden, unterschiedlichen Straße „schlechterdings nicht möglich ist“ wie das OVG Lüneburg bereits in seinem Urteil vom 12.06.1990 (vgl. Az.: 9 OVG A 149/88) entschied, welches heute noch bundesweit maßgeblich ist.

II. – Seit Sommer 2017 eröffnet § 7 Abs. 4a ThürKAG den Kommunen die Möglichkeit, bei Straßenausbaumaßnahmen den Gemeindeanteil in Abhängigkeit von der Haushaltslage der Stadt oder Gemeinde gegenüber der aktuellen Satzung zu erhöhen. Den Kommunen wurde damit die Möglichkeit gegeben (in Wechselwirkung mit ihrer Finanzlage) eine höhere Eigenbeteiligung festzulegen – dies jedoch nur, ohne dass damit ein Verstoß gegen die bereits zuvor erwähnten Einnahmebeschaffungsgrundsätze verbunden wäre.

In Abhängigkeit von der Verkehrsbedeutung ist seit dem 30.06.2017 für reine Anliegerstraßen der Kategorie A nun eine Erhöhung des Gemeindeanteils auf maximal 80 % (= in Jena liegt er derzeit bei 40 % entsprechend der SBS 2008), für „normale“ Straßen der Kategorie B auf bis zu 85 % (= in Jena derzeit zw. 45 % und 55 % je nach Straßenbestandteil) und für Straßen mit überwiegend überörtlichem Durchgangsverkehr der Kategorie C auf maximal 90 % (= in Jena derzeit zw. 50 % und 80 % je nach Straßenbestandteil) grundsätzlich möglich.

Jedoch: Auch bei einer Erhöhung des Gemeindeanteils über den Vorteil der Allgemeinheit hinaus, ist eine nach der Verkehrsbedeutung der Straße sowie ihrer einzelnen Teileinrichtungen „angemessene Abstufung“ vorzusehen. Der Gleichheitsgrundsatz verlangt im weiteren Zusammenhang eine plausible Abstufung der Anteilssätze, also deren „hinreichende Stimmigkeit“ untereinander; hierzu wird vom Gesetzgeber verbindlich der Beschluss des OVG Lüneburg vom 19.03.2004 mit dem Az.: 9 ME 342/02 benannt.

Da die Anliegervorteile nach der Verkehrsbedeutung der Straße beziehungsweise ihrer einzelnen Teileinrichtungen differieren, ist die Kommune bei der Bestimmung ihrer Gemeindeanteile gehalten, bei der einer Erhöhung „wenigstens grundlegenden Unterschieden Rechnung zu tragen“. Heißt: Die Festlegung eines einheitlichen Satzes pro Kategorie A, B oder C würde gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verstoßen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 27.02.1980, Az.: 9 C 2/79). Damit ist bei jeglicher Änderung von Gemeindeanteilen ein differenziertes Vorgehen bindend, eine pauschale Erhöhung des Gemeindeanteils ohne Kalkulation, plausible Abstufung und Nachweis nicht möglich.

Wann kann eine Erhöhung des Gemeindeanteils und damit eine Senkung des Anliegeranteils in Betracht gezogen werden?

Das Thüringer Kommunalabgabengesetz besagt im Kontext mit den von der Landesregierung neu erarbeiteten Anwendungshinweisen für den Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts (AnwHiSAB), dass die Möglichkeit der Erhöhung des Eigenanteils von der Finanzlage einer Kommune abhängig ist. Allerdings wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes die bisherige (bei einer Satzungsgenehmigung von der Aufsichtsbehörde zu überprüfende) Voraussetzung „Schuldenstand der Gemeinde“ durch das Merkmal der „dauernden Leistungsfähigkeit“ ersetzt. Entsprechend den Anwendungshinweisen liegt die dauernde Leistungsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 4 a Satz 1 Nr.1 ThürKAG vor,

– für nicht doppisch buchende Kommunen: wenn in dem vom Ministerium für Inneres und Kommunales veröffentlichten Muster zur Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit zu § 4 Nr. 4 der ThürGemHV nicht nur in allen drei Folgejahren eine freie Finanzspitze ausgewiesen wird, sondern auch in den Ansätzen im kommenden Jahr, im Rechnungsergebnis des Vorjahres und des vorvergangenen Jahres.

– für doppisch buchende Kommunen: wenn in dem vom Ministerium für Inneres und Kommunales veröffentlichten Muster zur Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit zu § 1 Abs. 2 Nr. 15 ThürGemHV-Doppik nicht nur in allen drei Haushaltsfolgejahren eine freie Finanzspitze ausgewiesen wird, sondern auch in den Ansätzen des Haushaltsjahres, des Haushaltsvorjahres und den Ergebnissen des Haushaltsvorvorjahres.

Darüber hinaus darf die Kommune gem. § 7 Abs. 4 a Satz 1 Nr. 2 ThürKAG in den vergangenen drei Haushaltsjahren keine Bedarfszuweisungen in Anspruch genommen haben und im Finanzplanungszeitraum bzw. nach der mittelfristigen Ergebnis- und Finanzplanung auch bei Erhöhung des Gemeindeanteils keine Bedarfszuweisungen benötigen. Weiterhin darf aufgrund der Bewertung sonstiger Risiken (zum Beispiel Bürgschaften, Gewährverträge, kreditähnliche Rechtsgeschäfte) keine Verschlechterung der Haushaltssituation der Kommune zu befürchten sein (§ 7 Abs. 4 a Nr. 3 ThürKAG).

Wichtig: Gemäß § 7 Abs. 4 a Satz 4 ThürKAG ist bei Wegfall der Voraussetzungen das Satzungsrecht der Stadt oder Gemeinde „umgehend anzupassen“. Soweit aufgrund der Verschlechterung der Haushaltssituation der Kommune eine Satzungsanpassung erforderlich ist, hat diese nur Auswirkungen auf Maßnahmen, bei denen die sachlichen Beitragspflichten noch nicht entstanden sind. Eine sozusagen rückwirkende Erhöhung des Anliegeranteils bei bereits entstandenen sachlichen Beitragspflichten ist mit der Regelung des Satzes 4 nicht verbunden.

Das Thema Beitragserhebungspflicht

Die vom Gesetzgeber seit dem 30.06.2017 geschaffene Möglichkeit der Erhöhung des Gemeindeanteils darf nicht zu einer Umgehung der Beitragserhebungspflicht führen. So darf sie hinsichtlich des verbleibenden „verminderten“ Beitrags auch nicht unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 ThürKAG vollständig auf eine Beitragserhebung für einzelne Straßen, Wege oder Plätze verzichten.

Im Kontext mit ihrer bisher gültigen Satzung sind die Kommunen gehalten, zu prüfen, inwieweit die Voraussetzungen für die Erhöhung ihres Gemeindeanteils nach den weiter oben genannten geänderten Voraussetzungen seit Inkrafttreten des Achten Gesetzes zur Änderung des ThürKAG (plausible Abstufung der Anteilssätze etc.) überhaupt vorliegen.

Rückwirkungspflicht / Erlass einer Satzung

Obwohl im Vorfeld der Gesetzesänderung des Achten Gesetzes zur Änderung des ThürKAG als Option kommuniziert, musste die Thüringische Landesregierung im Vorfeld der Gesetzesänderung die Abschaffung der Straßen(aus)baubeiträge verwerfen, als auch einen Verzicht auf eine rückwirkende Beitragserhebung ab August 1991 oder eine ebenfalls diskutierte Stichtagsregelung aufgeben.

Im Freistaat sind somit auch weiterhin Straßen(aus)baubeiträge zu erheben und von den betroffenen Grundstückseigentümern zu entrichten. Insofern haben hieraus resultierende Folgen, wie der nun verpflichtende erstmalige Erlass einer Beitragsatzung bei Kommunen, die bislang über keine eigene Ausbaubeitragssatzung verfügen und die hiermit verbundene rückwirkende Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen, keinerlei Auswirkungen für Jena.

In unserer Stadt werden Beiträge nach dem ThürKAG seit 1992 erhoben, zwischen 2013 und 2017 waren dies insgesamt rund 3,2 Mio. Euro der Gesamtbeitragseinnahmen der Stadt Jena von rund 4,4 Mio. Euro im genannten Zeitraum.     / RS

In Jena werden seit 1991 Erschließungs und Straßen(aus)baubeiträge erhoben. Die Abteilung Beiträge am Standort Löbstedter Straße 68 gehört nach der Umstrukturierung des Dezernats Stadtentwicklung seit 01.01.2011 zum Kommunalsevice Jena. Die Mitarbeiter dieser Abteilung sind kompetente Ansprechpartner für die Bürger der Stadt Jena in allen Fragen zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen sowie des Erschließungsbeitrages, wobei diese Beiträge für die Stadt Jena und im Auftrag des Oberbürgermeisters erhoben werden. Wir sind Informationsstelle für Grundstückseigentümer, die von der Stadt Jena an den Kosten der Erneuerung oder Verbesserung ihrer Straße beteiligt werden oder noch beteiligt werden sollen und stellen auf Wunsch Bescheinigungen aus, ob solche Beiträge in der Vergangenheit gezahlt wurden oder nach ausstehen. Interessierten Bürgern werden die Schemata der Beitragsberechnung in Jena erläutert und sie erhalten Antwort auf oft gestellte grundsätzliche Fragen. Zudem können die beiden maßgeblichen Gesetze "Baugesetzbuch" und "Thüringer Kommunalabgabengesetz" nachgelesen werden, dazu die Ortssatzungen zum Beitragsrecht und die maßgebliche Rechtsprechung. Hinweis: Die Gesetzesänderung zur Abschaffung der Straßenbaubeitragserhebung in Thüringen ab dem 01.01.2019 geht einher mit gesetzlichen Regelungen, dass solche Beiträge für Verkehrsanlagen, die vor dem 01.01.2019 fertig gestellt worden sind, trotzdem noch zu erheben sind und von den Beitragspflichtigen gezahlt werden müssen.

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