Mit der durch Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt Nr.7/2017 des Freistaats Thüringen am 30. Juni 2017 in Kraft getretenen Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes (ThürKAG) verändert sich für viele Kommunen im Freistaat ab sofort die Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen (Das neue ThürKAG in Auszügen ansehen).
Wurden bisher keine solchen Beiträge erhoben, sind diese nun per Festlegung im ThürKAG in Thüringen verbindlich ab 1991 nachzuerheben; die Kommune kann nur dann von einer rückwirkenden Beitragserhebung absehen, wenn diese für sie zu keinem wesentlichen Vermögenszuwachs führen würde oder ihre finanzielle Situation dauerhaft so günstig ist, dass sie ohne Verletzung der Einnahmebeschaffungsgrundsätze auf eine Beitragserhebung verzichten kann. Die von der Landesregierung zuvor favorisierte Stichtagsregelung ist damit obsolet.
Neu und besonders ist eine Regelung, dass Kommunen innerhalb bestimmter Grenzen selbst entscheiden können, die Beitragsbelastung der Anlieger (= sie liegt beispielhaft in Jena zwischen 20 und 60 %) bis auf minimal 10 % zu senken. Voraussetzung hierfür ist nach neuestem Gesetzesstand der „Nachweis der dauernden Leistungsfähigkeit“. Ab dem 1. Januar 2019 könnten Kommunen unter der gleichen Voraussetzung sogar gänzlich auf Beitragserhebungen verzichten. Bedingung ist aber, dass die bisherigen Einnahmen (= sie liegen in Jena bei rund 750.000 Euro jährlich) beispielweise durch Mehreinnahmen an anderer Stelle kompensiert werden. Die finale Entscheidung zur Leistungsfähigkeit einer Kommune liegt aber nicht bei ihr selbst sondern bei der entsprechenden Aufsichtsbehörde; für Jena wäre dies das Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar.
Die Thüringer Landesregierung habe intensiv eine Abschaffung oder Begrenzung der Rückwirkung der Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen geprüft, musste dabei aber feststellen, dass eine angedachte Stichtagsregelung (Anm.: Im Gespräch war das Jahr 2006 gewesen) verfassungsrechtlich bedenklich sei und zu Ungerechtigkeiten in Gemeinden führen könne, sagte der Kommunalexperte der Partei DIE LINKE, Frank Kuschel, hierzu vor Kurzem. Eine auch in der Diskussion gewesene Rückerstattung von Straen(aus)baubeiträgen sei mit dem Inkrattreten des geänderten gesetzes ebenfalls verworfen worden, denn in solchen Fällen wären unter Umständen Ausgleichszahlungen an die Kommunen nicht ausgeschlossen gewesen, welche zu einer Belastung des Landeshaushaltes geführt hätten, so Kuschel.
„Wir sehen die neue Gesetzesfassung vor allem Im Interesse der Rechtssicherheit und Beitragsgerechtigkeit im Freistaat“, erklärte Rainer Sauer vom Kommunalservice Jena (KSJ). Aus seiner Sicht hat die Gesetzesänderung derzeit keine Auswirkungen für die Stadt Jena. „Wir erheben seit 1992 kontinuierlich Straßenausbau- und Straßenbaubeiträge, sodass es im Bereich unserer Stadt keine Nacherhebungen geben kann und wird. Es ist allerdings intensiv zu prüfen, ob bei kleineren Baumaßnahmen die Einnahmen zukünftig im richtigen Verhältnis zum Vermögenszuwachs für den KSJ stehen und wir werden versuchen, im Herbst an verschiedenen Beispielen festzumachen, wo die finanzielle Grenze für eine Nichterhebung liegen könnte. Dies wird dann im Werkausschuss des Kommunalservice Jena vorgestellt“, sagte Sauer, der seit 1991 in der Stadt Jena für die Beitragserhebung zuständig ist. /AE